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Koenigin der Meere - Roman

Titel: Koenigin der Meere - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Doubek
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Lust auf Gesellschaft hast, setz dich zu mir, Read. So eine Wache ist lang, und die Zeit geht schneller vorbei, wenn man ein bisschen schwätzt«, bot Anne an. Marc ließ sich neben ihr nieder.
    »Bist du schon lange dabei?«, fragte er höflich. Anne schüttelte den Kopf.
    »Noch nicht sehr lange. Und du?« Marc gab keine Antwort.
    »Ich sehe dich nie mit den anderen zusammen. Einzelgänger, was?« Marc nickte. Anne sah hinauf zu den Sternen.
    »Nirgends ist der Himmel so schön wie hier in der Karibik. Die Sterne sind so hell, der Himmel wie ein weiches Tuch.« Marc Read zog ein kleines Teleskop aus der Tasche seiner weiten Hose und reichte es ihr.
    »Damit siehst du die Sterne so nah, als könntest du sie mit den Händen greifen. Manchmal wünsche ich mir, ich wäre ein Vogel und könnte hoch genug fliegen, um zu sehen, wie die Welt von da oben aussieht.«

    Anne kicherte. »Auf die Idee bin ich noch nie gekommen. Aber es wäre sicher lustig zu beobachten, was die Leute hier unten so treiben. Du kommst nicht hier aus der Gegend, oder?«
    »England«, antwortete Marc knapp.
    »Dachte ich mir, ich bin in Irland geboren, also müssten wir eigentlich Feinde sein. Aber du gefällst mir gut, Read, ich wäre lieber dein Freund.« Sie berührte wie zufällig Marcs Fingerspitzen. Als hätte sie ihn verbrannt, zog der sofort seine Hand zurück und stand auf.
    »Warum bist du gestern nicht zu mir gekommen?«, stellte Calico Anne am nächsten Morgen zur Rede.
    »Hast du mal gezählt, wie viele Männer hier an Bord sind? Es ist völlig unmöglich, sich in deine Kajüte zu schleichen, ohne dass einer etwas merkt.«
    Auch am nächsten und am übernächsten Abend saß sie am Fockmast und wartete auf Marc, der sich zwischen seinen Runden gerne zu ihr gesellte. Mit jeder Stunde, die sie mit ihm verbrachte, wuchs Annes Begehren.
    Am dritten Abend fasste sie sich ein Herz, beugte sich vor, küsste Marc auf den Mund und griff in seinen Schritt. Wie von der Tarantel gestochen sprang der Junge auf und fauchte: »Was soll das? Bist du verrückt?« Vor Aufregung entgleiste seine Stimme, und Anne erkannte, dass sie keinen Mann vor sich hatte. Sie brach in schallendes Gelächter aus.
    »Read! Du bist ein Mädchen! So kiekst doch kein Kerl! Komm her, ich werde dich nicht verraten. Los! Hab dich nicht so, ich tue dir nichts!«
    Zögernd ließ Marc sich wieder auf den Planken nieder.
    »Nun red schon! Wer bist du wirklich? Du kannst mir vertrauen. Wenn du mir dein Geheimnis verrätst, verrate ich dir meins.«
    Marc sah sie unsicher an.
    »Ich heiße Mary, Mary Read. Schwör beim Leben deiner Mutter, dass du mich nicht verrätst, sonst bringe ich dich um.« Im Licht des Mondes blitzte eine Klinge, und Anne spürte das kalte Metall an ihrem Hals.
    »Nimm das Messer weg, du Idiot! Meine Mutter lebt nicht mehr, aber ich schwöre dir trotzdem, dass von mir kein Mensch ein Wort
erfährt, und wenn du dich beruhigt hast, sage ich dir auch, warum.« Mary ließ das Messer sinken. Grinsend öffnete Anne ihr Hemd. Mary warf einen ungläubigen Blick auf die Leinenstreifen, mit denen sie ihre Brüste flach an den Körper gebunden hatte.
    »Na, verstehst du jetzt? Bei dir sieht’s unter dem Hemd nicht viel anders aus, vermute ich.« Mary lächelte verschmitzt.
    »Außer, dass ich ein bisschen mehr als du zu verstecken habe, wohl nicht.« Und sie begann, ihre Geschichte zu erzählen.
    »Ich bin in Devon geboren. Mein Leben war von Anfang an ein einziger Betrug. Meine Mutter war mit einem Matrosen verheiratet. Während der auf See war, brachte sie einen Sohn auf die Welt. Monatelang wartete sie auf ihren Mann, aber der kam nicht wieder. Und so bat sie meine Großmutter, sie zu unterstützen. Dann kam ich auf die Welt. Wer mein Vater ist, weiß ich nicht. Ich war noch ein Säugling, als mein Bruder oder besser Halbbruder starb. Und damit fing das Elend an. Um das Geld meiner Großmutter nicht zu verlieren, gab meine Mutter mich als meinen Bruder aus. Bis ich dreizehn war, ging alles gut, dann starb meine Großmutter. Weil sie mich alleine nicht durchbringen konnte, gab mich meine Mutter zu einer Französin, die einen Pagen suchte. Die steckte mich in eine alberne Uniform und verlangte Sachen von mir, die kannst du dir gar nicht vorstellen. Mein Gott, wie habe ich dieses Weib gehasst. Wenn ich damals schon mit einem Messer hätte umgehen können, ich hätte ihr die Kehle durchgeschnitten und ihr obendrein noch die geschminkte Visage aufgeschlitzt.« Mary fuhr

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