Koenigin der Meere - Roman
sich mit dem Zeigefinger quer über den Hals.
»Pst! Leise!« Anne hatte Schritte vernommen. Mary verstummte und sah sich um. Mit nacktem Oberkörper, barfuß und nur mit seiner Hose bekleidet kam jemand auf sie zu.
»Das ist der Kapitän«, murmelte sie entsetzt und sprang auf.
Rackham schien sie nicht zu sehen. Die Augen wütend auf Anne gerichtet, flüsterte er heiser:
»Was machst du hier mitten in der Nacht?« Dann wandte er sich an Mary.
»Wache halten heißt nicht sitzen und quatschen. Setz deinen Arsch in Bewegung und halt hier keine Maulaffen feil!« Er packte Anne unsanft an der Schulter und schob sie zu seiner Kajüte.
»Das ist der dritte Abend, an dem du mich versetzt. Ich habe dir gesagt, dass ich auf dich warte. Was ist denn in dich gefahren?« Anne blitzte ihn böse an.
»Du fragst mich, was in mich gefahren ist? Ich frage dich, was du dir dabei gedacht hast, mich von Bord zu schicken, damit du dir diese dahergelaufene Ziege ins Bett holen kannst. So was kannst du mit deinen Mädchen in Nassau machen. Mit mir nicht!« Sie warf den Kopf in den Nacken. Rackhams Mund verzog sich zu einem breiten Grinsen.
»Eifersüchtig! Furzdonnerschlag! Meine kleine Feuerkatze ist eifersüchtig! Komm her und zieh die Krallen ein. Ich kann dich beruhigen, ich habe keine Sekunde mit dieser Ziege, wie du sie nennst, verbracht. Das schwöre ich dir.«
»Ich pfeife auf deine Schwüre. Du würdest jeden Meineid leisten, nur um zu kriegen, was du willst.« Rackham zog sie an sich und küsste sie.
»Hör auf, die Widerborstige zu spielen. Was ich will, ist genau das, was du willst, und das kriegst du jetzt auch.« Er hob sie hoch und trug sie zum Bett. Unter seinen Berührungen gab Anne jede Gegenwehr auf und erwiderte Calicos stürmische Zärtlichkeiten.
Die Juliana schaukelte sachte auf den Wellen, Anne lag mit geschlossenen Augen in Calicos Armen und war beinahe eingeschlafen, da schlug Rackham sich mit der flachen Hand vor die Stirn.
»Jetzt hätte ich fast vergessen, dass ich dir etwas zeigen wollte.« Er schwang sich aus dem Bett. Unter dem Bullauge der Kajüte stand ein kleines Schränkchen. Rackham schob es zur Seite und zeigte auf die Holzvertäfelung.
»Komm her und sag mir, was du hier siehst.«
Anne tastete die Zierleisten ab, fand jedoch nichts. Vorsichtig klopfte sie gegen die hölzernen Quadrate und wollte gerade aufgeben, da veränderte sich der Klang. Eben noch voll und satt, hörte sich ihr Klopfen plötzlich hohl und dumpf an. Sie tastete weiter, drückte und schob, und auf einmal sprang eines der hölzernen Quadrate zur Seite.
»Ein Geheimfach«, stieß sie hervor. »Was ist da drin?«
»Fass rein. Du bist doch sonst nicht so zaghaft.« Anne griff in die
kleine Öffnung, bekam ein Stück Sackleinen zu fassen. Es ließ sich bewegen, war aber zu sperrig für die Öffnung. Anne entfernte drei weitere Stücke der Vertäfelung, jetzt war das Loch groß genug. Sie brachte sechs verschnürte Säcke zum Vorschein.
»Sag schon, Calico! Was ist das?« Sie nestelte an einer Schnur.
»Furzdonnerschlag, das ist das, was uns beide bis an unser Lebensende reich machen wird! Du brauchst es nicht öffnen. Das hab ich schon getan.« Er ging zum Bett, kniete sich auf den Boden und langte darunter und zog ein Päckchen aus gewachstem Segeltuch hervor.
»Gold? Achterstücke?« Anne sah ihn zweifelnd an.
»Wertvoller als Gold und Achterstücke!«, triumphierte Rackham. »Das ist reinstes Opium. Und es gehört mir! Wenn ich das verkaufe, darfst du dir von mir wünschen, was du willst. Ein Schiff, ein Haus, eine Plantage, Viehherden, Sklaven, so viele du willst. Diese kleinen Pakete sind mehr wert, als du dir vorstellen kannst.« Annes Augen leuchteten, doch dann runzelte sie die Stirn.
»Es gehört nicht dir allein, es gehört auch nicht uns beiden. Die Regel ist, dass Beute geteilt wird, oder?«
»Das ist mein Schiff. Hier mache ich die Regeln. Und meine Regel ist, dass ich dieses Zeug in meiner Kajüte gefunden habe und damit machen kann, was ich will.« Rackham stopfte die Säcke zornig wieder in das Versteck, verschloss es und schob das Schränkchen davor. Das kleine Päckchen versteckte er wieder unter seinem Bett.
»Und wenn du nichts davon abhaben möchtest, sondern lieber mit kleinen Matrosenjungen spielst, mach, was du willst, aber pass auf! Es wird dir nicht bekommen!« Anne erkannte, dass es besser war, den Mund zu halten. Sie ging auf ihn zu, rieb ihre nackten Brüste an seinem Oberkörper und
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