Königin der Piraten
erbärmlicher Dreckskerl, genau wie die anderen von seiner Sorte. Er liebt mich nicht; ihm geht es doch nur darum, das Jucken zwischen seinen Beinen loszuwerden. Seine teure Geliebte wird er meinetwegen nicht verlassen - er wird mir jemand anders nachschicken, und das auch nur, weil er einen Narren an Piratinnen gefressen hat. Ich bin nun mal eine und damit ein hochinteressantes Objekt für seine Sammlung! Verflucht noch mal, verstehst du nicht, versteht ihr alle das nicht? Wenn er mein Märchenprinz wäre, würde er keinen seiner Untergebenen die Drecksarbeit machen lassen, er würde sich verdammt noch mal selbst zu mir bemühen !«
Enolia stand mit einem Fernglas an der Reling. »Genau das tut er.«
Maeve blieb die Spucke weg, und sie fragte: »Was hast du gesagt?«
Enolia ließ das Fernglas sinken und sah Maeve an. »Ich habe gesagt, genau das tut er.«
Maeve wich das Blut aus dem Gesicht, und ihre Lippen wurden ganz grau. Sie wandte sich um und starrte benommen eines der Geschütze an Steuerbord an, unfähig, ein Wort herauszubringen.
»Käpt'n? Alles in Ordnung?«
Zuerst kam die Erleichterung. Dann stiegen Angst, Schuldgefühle, Jubel und Wut in Maeve auf. Sie riss Aisling das Fernglas aus der Hand und drückte es sich ans Auge. Der Wind peitschte ihr lose Haarsträhnen um den Hals und gegen die Wangen. Tatsächlich, die hektische Betriebsamkeit konnte sie sogar von hier aus erkennen: wild gestikulierende Offiziere, Seeleute, die über die Laufplanken rannten, ein Boot, das herausgeschwungen und rasch an der Bordwand des großen Flaggschiffs herabgelassen wurde, eine Fregatte - o Gott, er ließ die Fregatte Harleigh einsetzen, das schnellste seiner Boote!
Zitternd ließ sie das Fernglas sinken.
»Er kommt Euch nach, nicht wahr?«, frohlockte Aisling.
»Natürlich kommt er ihr nach«, rief Sorcha triumphierend. »Er ist doch ihr Märchenprinz. Glaubst du, er lässt sie einfach so gehen?«
Kreischend vor Entzücken rannten die beiden Mädchen an die Reling, sprangen auf die Geschütze und winkten. Dann legten sie die Hände an den Mund und begannen aus vollem Hals zu schreien: »Los, Sir Graham! Kommt und holt sie!«
Benommen presste Maeve eine Hand an ihre frisch verbundene Seite und starrte auf das aufgewühlte Meer hinaus. Sogar von hier aus spürte sie Grays Entschlossenheit - und sie sah, wie die weiße Flagge mit dem roten Kreuz auf der Triton eingeholt und rasch auf der Fregatte Harleigh gehisst wurde.
»Er ist an Bord der Fregatte, Käpt'n!«
»Da kommt er!«
Maeve schloss die Augen, löste ihren Zopf und stolperte zur Luvreling hinüber. Sie hätte am liebsten gelacht und geweint, sich hingekauert und zu einer kleinen Kugel zusammengerollt, um sich vor sich selbst und vor der Wahrheit zu verstecken: Gray kam ihr tatsächlich nach, ob sie wollte oder nicht. Sie umklammerte mit beiden Händen die Wanten und schaute hinunter auf den blauen, schaumgekrönten Meeresspiegel, der ihre Worte zurückwarf. »Du sollst mir nicht nachkommen, Gray«, flüsterte sie und schloss die Augen, weil der Wind ihr das Haar ins Gesicht peitschte, während die Kestrel sich durch die Wogen kämpfte und Gischt auf Maeves Wangen sprühte. »Du solltest doch bei ihr bleiben ...«
»Los, Sir Graham! Hurra! Sieh nur, Ash, da ist der Admiral. Hallo, Admiral! Hu-hu, Sir Gra-ham!«
»Verdammt noch mal, Gray«, murmelte Maeve. »Ich werde nie wieder an dir zweifeln ...«
Sie stand auf und ging das kurze Stück zum Ruder hinüber, wo sie neben Orla stehen blieb und sich die Hand an die Seite presste. Schweigend beobachteten beide die Harleigh , während die Kestrel unter ihnen durch die
Wellen tanzte - ein Wettlauf, den sie doch nie gewinnen konnte.
»Ich gebe auf, Orla«, flüsterte Maeve und lachte freudlos. Ihr hämmernder Herzschlag dröhnte ihr in den Ohren, und beim Anblick der prächtigen englischen Fregatte, die mit allen verfügbaren Segeln Fahrt machte, verspürte sie ein aufregendes Kribbeln. »Ich gebe auf.«
»Sollen wir also beidrehen und den Admiral herankommen lassen?«, fragte Orla. Ihr Blick wurde ernst, als sie den neuen Verband betrachtete, der unter Maeves Jacke hervorschaute. Er war bereits wieder blutdurchtränkt.
Maeve wandte so rasch den Kopf, dass ihr Haar gar nicht so schnell nachkam. »Was, bist du nicht recht bei Trost? Beidrehen und Sir Grahams Erwartungen an mich nicht erfüllen? Ihn enttäuschen? Kommt überhaupt nicht infrage, dass ich beidrehe, Orla! Die Merricks geben nicht auf.
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