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Königin der Piraten

Königin der Piraten

Titel: Königin der Piraten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Danelle Harmon
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waren so dicht nebeneinander, dass sie sich mit Enterhaken hätten verbinden können und die Besatzungen einander über die kurze Distanz anstarrten.
    Gray stand zwischen zwei Kanonen, und der Wind peitschte ihm das Haar, das unter dem Hut hervorschaute, ins Gesicht. Als sie ihn so sah, wusste Maeve, dass sie ihm Unrecht getan hatte, Unrecht - dass er sie und nur sie liebte. In seinem Gesicht, seinen Worten, seiner verzweifelten Haltung erkannte sie die Wahrheit. »Du musst mich anhören!« Er legte die Hände an den Mund,
    damit sie ihn im Tosen von Wind und Meer verstehen konnte. »Kannst du mich hören?« »Ja!«
    Die Wellen schlugen donnernd an den Bug, Gischt sprühte über die Reling, der Wind heulte, und in der Ferne löste sich eine der Aufklärungsfregatten des Feindes von den anderen und wandte den Bug in ihre Richtung ...
    Gray warf nur einen kurzen Blick darauf, schnappte sich einen Sprachtrichter und rief: »Du musst zurück zu Nelson und ihm Bescheid sagen! Er hat die Flotte! Das Schicksal einer ganzen Nation hängt davon ab, ob du meinem Befehl Folge leistest; hast du verstanden, Maeve? Du musst mir gehorchen!« Er ließ den Sprachtrichter sinken, schleuderte ihn beiseite und brüllte über die windgepeitschte Kluft, die sie trennte: »Das Schicksal einer Nation hängt davon ab, ob du Nelson findest! Fahr nach Antigua und hol ihn zurück!«
    Etliche Meilen weiter luvseits hisste der französische Aufklärer die Marssegel, und hinter ihm scherte eine weitere Fregatte aus der Reihe der Schlachtschiffe aus, um ihm zu folgen. Dann noch eine ... und noch eine.
    »Nein!«, schrie Maeve, stemmte die Füße in den Boden und raffte sich das fliegende Haar aus den Augen. »Ich lasse dich nicht allein, Gray! Verdammt, ich lasse dich nicht im Stich!«
    »Sieh zu, dass du Nels o n findest, und hol ihn zurück!«
    Liebe. Ehre. Und Gehorsam. Maeve hatte keine Wahl - und so erteilte sie ihrer Besatzung den Befehl, Kurs auf Antigua zu nehmen.
    Gray hatte dem Kapitän der Harleigh unterdessen etwas zugebrüllt. Schon kehrte die englische Fregatte ihnen das Heck zu, als sie davonrauschte, um ihren Admiral zu seinem Flaggschiff zurückzubringen. Schon wurden Flaggen gehisst, um Kapitän Lord an Bord der Triton Grays dringende Anweisungen mitzuteilen, schon hatte er entschieden, wie er weiter vorgehen würde. Villeneuves mächtiger Flotte hatte er ein Schlachtschiff und drei Fregatten entgegenzusetzen, nicht mehr und nicht weniger. Mit einem Mal begriff Maeve die grausige Bedeutung der Vision, die sie beim Aufbruch von Barbados gehabt hatte - die Vision von Blut, Tod und von einer Seeschlacht.
    Er würde sterben - ehrenhaft und tapfer wie ein Offizier.
    Und Maeve konnte beim besten Willen nichts daran ändern.
    Sie sah, wie der Konvoi sich gemäß Grays Anweisungen zu zerstreuen begann. Schon floh er nach leewärts, während die schwere Triton und die übrigen beiden Fregatten, die Cricket und die Chatham, weitere Segel setzten und sich gegen den Wind vorankämpften, um zu ihrem Admiral an Bord der Harleigh zu gelangen.
    »Käpt'n«, hörte sie Enolia sagen, »wenn wir nicht schleunigst hier rauskommen ... dann schaffen wir es nie. Eine Breitseite von den Franzosen, und wir sind erledigt.«
    Da Maeve das Gefühl hatte, die Stimme würde ihr versagen, nickte sie nur heftig, ohne den Blick von der kleiner werdenden Harleigh abzuwenden, der die Triton, die Cricket und die Chatham entgegenkamen. Die Harleigh kehrte der Kestrel das Heck zu und reckte riesige Masten voller prächtiger Segel gen Himmel. An den Flaggleinen wurde ein Signal nach dem anderen gehisst und von dem mächtigen Flaggschiff ebenso rasch beantwortet.
    Maeve umklammerte die Reling. Lass mich nicht im Stich, Gray ... bitte, lass mich nicht im Stich.
    Sie hob ein Fernglas ans Auge. Eine einzelne, gebieterische Gestalt war an die Heckreling der Harleigh getreten und stand nun dort reglos und allein, unverwundbar, großartig und unerschrocken. Gray, der Offizier.
    Gray, der Admiral. Gray die einzige Hoffnung, die dem Konvoi und vielleicht ganz England noch blieb.
    Über die rasch zunehmende Entfernung hinweg trafen sich ihre Blicke. Tränenerstickt sah Maeve, wie Gray ein letztes Mal die Hände an den Mund legte. Der Wind riss seine Worte fort, doch sie hatte sie bereits mit dem Herzen gehört.
    Ich liebe dich.
     
    Oben vom Geschützdeck riefen die Trommelwirbel die Besatzung herbei. Geschützwagen quietschten und rumpelten, als die schweren Kanonen zu ihren

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