Königin der Piraten
Vereinigte Flotte mit Kurs nach Norden an Dominica vorbei. Ihr tätet gut daran, beizudrehen und Euch schleunigst zu ihrer Verfolgung aufzumachen, Mylord. Weder auf Tobago noch auf Trinidad gibt es für Euch etwas zu holen.«
Wie vom Donner gerührt sah Nelson zu Hardy auf.
»Dummes Zeug, Sir!«, rief der Kapitän. »General Brereton sagt, dass die Franzosen auf Tobago sind! Ich bitte Euch eindringlich, überlegt Euch gut, ob Ihr den Worten einer Piratin Glauben schenken wollt.«
»Aber Hardy, was sie sagt, bestätigt meinen Verdacht!«, versetzte Nelson und schlug sich mit der Faust vor die Brust. »Und wann hät t e mein Gefühl mich je in die Irre geführt? Was, wenn die Frau Recht hat und die Franzosen tatsächlich - guter Gott! - auf Antigua zusteuern?«
»Und was, wenn sie lügt, Sir, und wir beidrehen, Kurs nach Norden halten und später herausfinden, dass Brereton doch Recht hatte? Dann werdet Ihr zum Gespött der ganzen Flotte, zum Gespött Englands, weil Ihr auf den Rat einer Wahrsagerin gehört habt.«
»Es wäre nicht das erste Mal, dass ich einem solchen Rat gefolgt bin, Hardy, wahrhaftig nicht!« Doch als Nelson Maeve anschaute, klangen Hardys Worte plötzlich recht vernünftig. Konnte er wegen der Warnung einer Piratin seine Laufbahn, ja Englands Sicherheit aufs Spiel setzen?
Maeve hielt ihren Apfel von sich und betrachtete ihn eingehend, dann biss sie noch einmal hinein. »Seltsam, so ein Apfel«, sagte sie wie zu sich selbst. Sie streckte ihnen die halb aufgegessene Frucht mit dem hellen Fruchtfleisch und dem Kerngehäuse entgegen. »Wenn Ihr einen Apfel oder eine Orange gegessen habt oder irgendeine andere Frucht, habt Ihr dann je darüber nachgedacht, dass Ihr gerade etwas betrachtet, das kein anderer Mensch je angeschaut hat?«
Alle starrten sie an.
»Überlegt doch«, fuhr Maeve fort und hielt immer noch den Apfel in die Luft. »Niemand hat je das Innere genau dieser Frucht gesehen. Daher ist es ein Segen und ein Geschenk, eine Gottesgabe an uns.« Krach. »Denkt daran, wenn Ihr das nächste Mal eine Banane schält oder in einen Apfel beißt.«
»Schafft sie raus hier«, sagte Hardy angewidert.
»Nein, nein, das ist eine außergewöhnliche Beobachtung! Wisst Ihr, Maeve Merrick, mein Vater war Geistlicher, und ich bin sicher, er hätte Euren Scharfsinn und Eure Einsichten ebenso bewundert wie ich. Nun sagt mir eines.« Daran, dass Nelsons Stimme plötzlich ein wenig schärfer klang, erkannte Maeve, dass hinter seinem durchdringenden Blick tatsächlich ein wacher Geist steckte. »Es muss einen Grund dafür geben, dass Ihr mir diese Neuigkeiten über Wiel-nuuv höchstpersönlich überbringt.«
»Ich wollte einmal dem Helden von Abukir begegnen«, erklärte Maeve sanft.
»Und woher weiß ich, dass Ihr mich nicht betrügt?«
»Ich hasse die Franzosen ebenso wie Ihr, Mylord - und ich möchte erleben, wie Ihr sie vernichtet. Was Euch selbstverständlich gelingen wird.«
»Sie hat die Gabe des Sehens«, erklärte Hardy viel sagend.
»Ja, ja, natürlich!«, rief Nelson aufgeregt.
»Der Hauptgrund für meinen Besuch ist allerdings ein anderer.« Immer noch an ihrem Apfel kauend, warf Maeve dem Admiral einen schalkhaften Blick durch ihre Wimpern zu. »Ich bin gekommen, um Euch um Zahlung zu bitten.«
»Um Zahlung? Wofür?«
»Seht Ihr« - Krach -, »ich habe einen gewissen englischen Seemann in meiner Gewalt, der gestanden hat, dass er ein Fahnenflüchtiger und Verräter und nun als Spion für die Franzosen tätig ist. Ich dachte, Ihr möchtet ihn vielleicht gerne zurückhaben.«
»Einen Fahnenflüchtigen?« Plötzlich war Nelson enttäuscht. »Bei Gott, ich interessiere mich mehr für Nachrichten von Wiel-nuuv.«
»Mylord, ich habe Euch bereits alles gesagt, was ich über Villeneuve weiß. Er befindet sich vor Dominica und steuert nach Norden. Was soll ich Euch sonst noch sagen? Glaubt mir, ich wünsche mir von Herzen, dass Ihr den Franzosen die verdiente Abreibung verpasst. Aber dieser englische Seemann, dieser Deserteur, also« - Krach - »er fällt mir ziemlich zur Last, und ich möchte ihn gerne loswerden. Einfach freilassen kann ich ihn aber nicht. Ich bin schließlich Piratin, und auch Piraten brauchen etwas zu essen ...«
»Wachen! Schafft diese Frau fort!«, brüllte Hardy.
Maeve hob abwehrend die Hand. »Oh, nicht so hastig, Gentlemen. Lehnt mein Angebot nicht so unüberlegt ab. Der Gefangene sieht wirklich gut aus - als Leiche am Mast Eurer Victory würde er sich prächtig
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