Königin der Piraten
auf. »Madam?«
Wie hypnotisiert starrte Maeve auf seinen Rock, diese glitzernde, geschmückte, medaillenbehangene Uniform voller Tressen, Sterne, Orden und Ruhmesabzeichen ... Fassungslos wich sie zurück.
»Euer ... Euer Rock, Mylord ...« Mit schreckgeweiteten Augen schaute sie zu ihm auf. »Er wird Euer Tod sein.«
Damit eilte die erschütterte Piratenkönigin zum Fenster und verschwand, gefolgt von Orla, in der Nacht.
7.Kapitel
G ray war zu Recht stolz darauf, wie geschickt er Maeve Merrick überlistet hatte - nun ja, seinen Rang und Namen hatte er auch nicht erworben, weil er dumm war.
Kaum hatte das kleine Schiff den Anker gelichtet, hatte Gray seine Fußeisen abgenommen und sich mithilfe des Schlüssels, den er der Piratenkönigin entwendet hatte, leise aus seinem Gefängnis befreit. Die ganze Nacht hatte er auf einem Felsen gesessen, aufs Meer hinausgeschaut und den Wind verflucht, wegen dem er nicht erfahren hatte, dass Nelson und Villeneuve sich in der Karibik befanden. Er hatte auch an die Piraten gedacht, die einst diese Gewässer befahren hatten, und Maeve mit der einzigartigen Anne Bonney verglichen. Anne zu verführen war natürlich nicht mehr möglich, denn die mächtige Königin der Meere war seit fast einhundert Jahren tot - doch die Furie, die das Kommando auf der Kestrel hatte, war sicherlich ein würdiger Ersatz.
Gray lächelte. Schon sah er vor sich, wie der glatte, straffe Körper sich vor Lust unter ihm wand. Er hatte immer davon geträumt, mit einer Piratin ins Bett zu gehen, und wenn es nach ihm ging - woran er keinen Zweifel hatte -, würde dieser Traum Wirklichkeit werden, noch bevor sein kleiner Aufenthalt auf dieser Insel beendet wurde. Was Maeves Begegnung mit Nelson betraf - Gray atmete schwer aus und bohrte mit dem Zeh im Sand -, so konnte er nur hoffen, dass sie so verlief, wie er es vorhergesagt hatte. Schließlich war er ein gewaltiges Risiko eingegangen ...
Er schaute aufs Meer hinaus. Die Sterne verblassten schon, und im Osten begann der Horizont über den Palmen zu erglühen. Die schwarze See schimmerte allmählich taubengrau. Bald würde der Tag anbrechen - aber was würde er bringen ?
Nelson in der Karibik!
Gray starrte in die Morgendämmerung und lächelte versonnen, als er an die längst vergangene Zeit zurückdachte, in der er als junger Fähnrich erstmals unter dem großspurigen, übereifrigen Kapitän Nelson gedient hatte. Das war auf der mit achtundzwanzig Kanonen bestückten Fregatte Albemarle gewesen. Wer außer dem unerschrockenen kleinen Admiral hätte die britische Flotte unmittelbar an die französische heranfahren lassen, die an der Mündung des Nils vor Anker lag, und den Feind vernichtend geschlagen, sodass Napoleon Bonaparte und seine Truppen in Ägypten gestrandet waren? Der Sieg hatte Nelson den Titel Baron eingebracht, die Liebe Emma Hamiltons, den Status eines Helden und den Großmast des französischen Flaggschiffes L'Orient, nachdem dieses auf dem Höhepunkt der grandiosen nächtlichen Schlacht in die Luft geflogen war. Inzwischen war aus den Überresten dieses Mastes ein Sarg gezimmert worden, der nach Nelsons Schwur eines Tages sein eigener sein sollte.
Gray hob das leere Haus einer Meeresschnecke auf und zeichnete die glatten Spiralen mit dem Daumen nach, während er die Sonne als riesigen orangeroten Feuerball aus dem Meer auftauchen sah. Die Piratenkönigin hatte gesagt, der Admiral sei auf der Suche nach einem feindlichen Geschwader, das seiner Belagerung des Hafens von Toulon entkommen war. Nelson hatte das Oberkommando über den Mittelmeerstützpunkt, dreitausend Meilen von hier. Auf wessen Weisung hatte er seinen Posten dort verlassen und die Franzosen über den ganzen Atlantik verfolgt?
Höchstwahrscheinlich steckte niemand als er selbst dahinter, vermutete Gray und lächelte sarkastisch. Fluchend schleuderte er das Schneckenhaus in die sich brechenden Wellen. Und der Admiral würde auch ihn suchen.
Nun ja, er saß erst einmal hier fest, und es blieb ihm nichts anderes übrig, als die Rückkehr der wilden Piratin abzuwarten, deren Gefangener er war. Er mochte zwar seine Fesseln abgestreift haben, doch ohne Boot gab es kein Entkommen von der Insel. Gray rieb sich über das stoppelige Kinn, zuerst geistesabwesend, dann wurde ihm bewusst, wie seijj Bart gewachsen war. Er grinste verwegen. Noch ein paar Tage ohne Rasur, und er war auf dem besten Wege, auszusehen wie Blackbeard. Darüber freute er sich wie ein kleiner Junge, und
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