Königin der Piraten
er und starrte sie an wie eine Gestalt, die seinen Albträumen entsprungen war. »Oder sollte ich sagen, ich weiß Bescheid über sie ... Sie ist eine Piratin, die von den Inseln unter dem Winde aus operiert.«
»Hat sie jemals ein englisches Schiff geplündert?«
»Nicht dass ich wüsste, Sir ...«
»Hat sie im Gebiet der Westindischen Inseln jemals Schiffe, Offiziere oder Seeleute Seiner Majestät behindert?«
»Nein, Sir, aber ...«
Der Admiral fuhr grimmig zu Maeve herum. »Setzt Euch!«
»Vielen Dank«, erwiderte Maeve, »aber ich bleibe lieber ...«
»Ich sagte, setzt Euch!«, brüllte der kleine Löwe, und da ihr Glaube an die Helden auf diese Weise wiederhergestellt wurde, gehorchte Maeve mit strahlendem Lächeln.
Nelson pflanzte sich vor ihr auf. So aufgewühlt, dass der Stumpf seines Arms in dem leeren Ärmel zuckte, funkelte er Maeve zornig an. »Ihr«, sagte er scharf, schlug mit der Hand auf den Tisch und beugte sich drohend zu ihr hinunter, »Ihr habt soeben Eigentum der britischen Krone beschädigt, und ich kann Euch nur raten, mir einen verdammt guten Grund dafür zu nennen, so wahr mir Gott helfe!«
Maeve lachte, und ihr Herz frohlockte.
Ja, das war der Nelson aus Liedern und Legenden, das war der Held, von dem sie schon so lange geträumt hatte, das war ...
»Antwortet mir!«
Immer noch lächelnd, beugte Maeve sich über den Tisch, nahm einen Apfel aus der silbernen Schale, die dort stand, und biss krachend hinein. Als das Geräusch die angespannte Stille zerriss, schnaubte Nelson vor Wut, und sein schmucker Offizier wurde noch bleicher und interessierte sich plötzlich sehr für eine kleine Schnittwunde an seiner Hand,
Ein weiterer Mann in Kapitänsuniform stürmte nun mit erhobener Pistole in die Kajüte und zielte direkt auf Maeves Herz.
»Um Himmels willen«, fuhr Nelson ihn an. »Ich glaube, ich habe die Sache ganz gut im Griff. Nehmt doch bitte Platz, Hardy - dieses entzückende Weibsbild möchte uns verraten, wo Wiel-nuuv steckt.«
Maeve biss noch einmal in ihren Apfel und schaute auf. »Ah, Nelsons berühmter Flaggkapitän«, sagte sie kauend, schluckte und grinste. »Zweifelt nicht an mir, Mylord - ich habe die Gabe des Sehens.«
»Die was?«
»Die Gabe des Sehens.« Maeve biss erneut ab und pulte sich mit der Spitze ihres Messers ein Apfelstückchen zwischen den Schneidezähnen heraus. Nelson kniff die Augen zusammen. Hardy, der sich inzwischen gesetzt hatte, schaute sie entgeistert an. Der blonde Kapitän Lord, der den Blick wieder gehoben hatte, errötete verlegen - seine rosigen Wangen hatten beinahe etwas Rührendes. »Das ist die Gabe der Iren, in die Zukunft zu schauen«, erklärte Maeve beiläufig. »Ereignisse vorauszusagen. Zeichen und Symbole zu deuten. Ihr seht, ich bin mit der Glückshaube auf dem Kopf zur Welt gekommen und allwissend.«
»Papperlapapp!«, rief Hardy. »Ihr habt nicht einmal einen irischen Akzent!«
»Ich bin Amerikanerin.«
»Ihr seid verrückt.« Hardy stand auf und drehte sich auf dem Absatz um. »Ich rufe die Wachen.«
»Nein, Hardy, ich möchte hören, was sie über Wiel-nuuv zu sagen hat.«
»Sir, Ihr wollt doch nicht etwa den Worten dieser ... dieser Piratin trauen?«
»Ich bin für alles offen, Hardy. Ich werde sie ausreden lassen. Kapitän Lord? Um Himmels willen, setzt Euch hin - Ihr seht aus, als würdet Ihr gleich in Ohnmacht fallen!«
»Ich, äh, kann nicht, Sir ...«
Orla hatte die Spitze ihres Schwerts auf seine Lenden gerichtet, so nah an seinen makellos weißen Hosen, dass er sich nicht bewegen konnte, ohne eine Verletzung zu riskieren.
Maeve zupfte sich die Falten ihrer nassen Bluse von der Haut und biss erneut in den Apfel. »Sei nicht so streng mit ihm, Orla.« Krach. »Lass den armen Kerl Platz nehmen, wie Seine Lordschaft gesagt hat.« Amüsiert beobachtete sie, wie Kapitän Lord, der sie immer noch anstarrte, sich vorsichtig zu einem Stuhl tastete. »Da wir nun alle gut sitzen, lasst mich mein Anliegen vorbringen.«
»Ja, bitte«, knurrte Hardy sichtlich verärgert.
»Zum Teufel mit Eurem Anliegen«, herrschte Nelson sie an. »Sagt mir nur, was Ihr von Wiel-nuuv wisst!«
»Villeneuve«, begann Maeve, mit ihrem Apfel spielend, »war auf Martinique, wo er sich mit dem spanischen Admiral Gravina verbündet hat. Das wusste ich natürlich bereits von dem, was man sich in den Schenken erzählt, und es wurde mir auf dem Weg zu Euch von einem Schiff bestätigt. Während wir hier sitzen und reden, steuert die
Weitere Kostenlose Bücher