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Königin der Piraten

Königin der Piraten

Titel: Königin der Piraten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Danelle Harmon
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auf.
    »Großer Gott!«
    Der Eindringling rappelte sich auf. Es war eine Frau, die nun Glasscherben und Meerwasser von sich schüttelte und ihren langen, rotbraunen Pferdeschwanz über die Schulter warf. In der Hand hielt sie einen Dolch, mit dem sie nun salutierte.
    »Gestattet, dass ich mich vorstelle«, sagte sie munter. Gleichzeitig krabbelte eine weitere, kleinere Gestalt hinter ihr durchs Fenster.
    »Ich bin Kapitänin Maeve Merrick, und das da ist mein Steuermannsmaat, Orla O'Shaughnessy.«
    Nelson starrte sie mit offenem Mund an.
    »Verzeiht«, fuhr die Frau mit boshaftem Grinsen fort. »Vielleicht habt Ihr noch nichts von mir gehört? Ich bin die Piratenkönigin der Karibischen See.«
    Sie verbeugte sich schwungvoll. »Willkommen vor den Westindischen Inseln, Mylord!«

6. Kapitel
     
    Wachen!«, brüllte Nelson, als er sich wieder gefangen hatte. »Wachen!«
    Colin Lord warf sich schützend vor den Admiral, als die Tür aufflog und überraschte Soldaten der Königlich Britischen Marine hereinstürmten.
    Da drang Maeves Stimme durch den Tumult: »Nein, Mylord! Ich bringe Euch Neuigkeiten von Villeneuve!«
    Nelson schob sich ungeduldig an Colin vorbei und hob die Hand, um seine Leute zurückzuhalten. Halb zornig, halb ungläubig starrte er Maeve an.
    »Was habt Ihr gesagt?«
    »Ich sagte, ich bringe Euch Neuigkeiten von Villeneuve !«
    Angespanntes Schweigen kehrte ein. Der Wind heulte um das Achterschiff. Polternd und mit Geschrei kamen weitere Seeleute herbeigeeilt. Verstohlen führte Kapitän Lord ganz langsam die Hand an sein Schwert, doch schon bohrte sich Orlas Dolch knapp neben seinem Fuß in den Teppich.
    Admiral Nelson deutete energisch mit dem Kopf zur Tür. »Lasst uns allein«, schnauzte er. »Kapitän Lord und ich werden schon mit der Angelegenheit fertig.«
    Einer nach dem anderen verließen die Seeleute Nelsons Kajüte. Der steife kleine Admiral und die wilde Piratenkönigin musterten einander. Prüfend versuchten sie, den anderen einzuschätzen, wie zwei Flotten, die vor einer Schlacht in Kampfstellung gehen.
    Nelson erblickte eine tropfnasse, ungezähmte Schönheit mit goldenen Ohrringen, die in ihrem feuerroten Haar festhingen. Ihr Gesicht war braun gebrannt, die goldbraunen Augen funkelten wie die Sonne und die Sünde zugleich, und um ihren anmutig geschwungenen Hals trug sie eine Kette aus Haifischzähnen. Ferner sah Nelson schlanke Hände, endlos lange Beine, nackte Füße, klatschnasse, ausgefranste Hosen, die am Knie abgeschnitten waren, und eine purpurrote Bluse, um die ein Ledergürtel geschlungen war.
    Vor Maeve wiederum stand ein Admiral, der nicht größer als ein Schuljunge war und ihr gerade bis ans Kinn reichte - das genaue Gegenteil ihrer Erwartungen. Das Lächeln verschwand aus ihrem Gesicht und machte blanker Enttäuschung Platz.
    So viel zu den Helden, dachte sie traurig. Heutzutage verhielt es sich mit ihnen wohl ebenso wie mit den Märchenprinzen. Dieser hier stand kerzengerade vor ihr, was ihn allerdings auch nicht größer machte, und sein bleiches, kränkliches Gesicht war, abgesehen von der kühnen Nase und dem durchdringenden Blick, ziemlich nichts sagend. In seinen Augen jedoch glomm ein Feuer, das selbst die drohende Blindheit nicht ersticken konnte. Die Gesichtszüge des Admirals waren zugleich offen, ehrlich, energisch, verletzlich, besorgt und melancholisch. An seinen Augen, seinen Wangen und der schlimmen Narbe über seiner rechten Braue sah Maeve, dass er einiges durchgemacht hatte. Der leere Ärmel war sorgfältig an seiner Brust festgesteckt, die mit so vielen Medaillen, Sternen und Orden geschmückt war, dass der Himmel sich dagegen kahl und öde ausnahm.
    Aber dieses mickrige Kerlchen konnte unmöglich der Held sein, der in Balladen besungen wurde! Dieser kleine Kampfhahn war doch wohl nicht der Seemann, über den die Zeitungen Spottreden wie Lobeshymnen druckten, der in Gemälden, Gedichten und Skulpturen verewigt wurde und nach dem von der Pflanze bis zur Straße alles Mögliche benannt worden war? Dieser Zwerg sollte der Schrecken der Franzosen und der Stolz der britischen Marine sein?
    Wieder eines der Märchen, die nicht wahr wurden.
    »Kapitän Lord! Kennt Ihr diese Frau?«
    Maeves Aufmerksamkeit wurde auf den gut aussehenden blonden Offizier gelenkt, den Orla mit ihrem Schwert in Schach hielt. Seine unbewegten Gesichtszüge hatte er gut unter Kontrolle, doch so bleich, wie er war, hatte er garantiert schon von ihr gehört. »Jawohl, Sir«, antwortete

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