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Königin der Schwerter

Königin der Schwerter

Titel: Königin der Schwerter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Felten
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erwachsen mochte. Schweigend ging sie neben der Oberin her ins Herz der Höhlen, dor t hin, wo Zarifes Körper seit Jahrhunderten ruhte und auf die Rückkehr seiner Seele wartete. Die anderen folgten ihnen schweigend, wie eine endlose Proze s sion.
    Vor ihr ging Mel Seite an Seite mit Zarife. Es war ein seltsamer Anblick, und Aideen beschlich das G e fühl, dass nicht Mel, sondern der Oberin dieser Platz gebührte. Da diese sich aber wie selbstve r ständlich hinter Zarife eingereiht hatte, stand es ihr nicht zu, die Entscheidung in Frage zu stellen.
    Am Tor zum Heiligtum angekommen, blieben die anderen respektvoll hinter ihnen zurück. Allein Mel schritt so selbstbewusst neben Zarife in die Tunnel, als sei sie schon hundertmal hier gewesen.
    »Mel!« Die gedämpfte Stimme der Oberin durc h brach die Stille. Sie schloss zu ihr auf, legte ihr die Hand auf die Schulter und deutete zurück. »Bitte.«
    »Sie bleibt bei mir.« Zarifes Stimme war so schne i dend, dass Aideen zusammenzuckte. Auch die Oberin wirkte betroffen. »Aber sie …«
    »Kein Aber. Sie bleibt hier.« Zarife wählte einen Ton, der keinen Widerspruch duldete. Mel grinste spöttisch und setzte den Weg fort, während Aideen zu verstehen versuchte, was hier vor sich ging. Die Ob e rin wirkte gekränkt, wusste ihre Gefühle aber sorgsam zu verbergen. Allein Aideens feine Sinne fühlten ihren Kummer. Um sich abzulenken, lausc h te sie auf die Stimmen, die sie früher in diesem Teil der Höhlen immer gehört hatte, aber die Schatten blieben stumm. Nichts rührte sich.
    Und dann waren sie am Ziel.
    Vor ihnen lag die Höhle mit dem Altar, auf dem Zarifes Leichnam aufgebahrt lag. In einer Ecke des Raums hatten Hüterinnen kostbare Gewänder für Zarife bereitgelegt. Mel und Zarife gingen um den Altar herum, während Aideen und die Oberin davor stehen blieben. Der geweihte Opferdolch von Benize ruhte am Kopfende des Altars auf einem kleinen, mit weißem Tuch bedeckten Tisch.
    »Du mein Ich«, sagte Zarife feierlich, griff nach dem Tuch und zog es mit einem kräftigen Ruck von der Toten. Aideen riss staunend die Augen auf. Die Frau auf dem Altar war makellos schön. Sie sah aus, als schlafe sie und wirkte so lebendig, als hätte sie sich gerade erst dorthin gelegt. Das Fleisch war straff, der Körper wohlgeformt und von gesunder Farbe. Ein Anblick wie von einer Göttin, wäre da nicht der lange Schnitt in der linken Brusthälfte gewesen, wo die H ü terinnen vor Jahrhunderten das Herz entnommen hatten.
    »Bin ich nicht schön?« Zarifes Worte waren voll selbstgefälliger Bewunderung. Sie lächelte.
    »Wir haben alles so gehalten, wie Ihr es damals ve r fügt habt.« Nie zuvor hatte Aideen die Oberin so u n terwürfig erlebt. Die ältere Frau rang unbewusst die Hände, als fürchte sie, dass Zarife doch noch einen Makel entdecken und ihr zürnen könnte. »Es ist alles bereit.«
    »Sehr gut.« Zarife hob den Blick. »Sogar der Dolch ist unversehrt.« Sie wandte sich Aideen zu und schaute ihr tief in die Augen. »Nimm ihn.« Der Befehl war zwingend. Aideen sah, wie sie nach dem Dolch griff, ohne dass sie sich der Bewegung b e wusst wurde. Alles in ihr sträubte sich dagegen, es zu tun. Sie konnte nicht töten, sie wollte es nicht. Nicht einmal dann, wenn es seit Hunderten von Ja h ren vorherbestimmt war. Und doch bewegten sich ihre Hände wie von selbst. Es war, als hätte etwas von ihr Besitz ergriffen, ein Wille, stärker als ihr eigener, der sich über sie stülpte … eine Macht, so stark und unwiderstehlich, dass sie nicht anders konnte, als zu gehorchen. Sie spürte den Dolch in den Fingern und die glatte, kühle Oberfläche der Steine, die den Griff verzierten, wä h rend Zarife i h ren Blick so unbarmherzig festhielt, dass es schon fast schmerzte.
    »Du bist meine treue Dienerin«, hörte sie Zarife s a gen. »Mein Wort ist dir Befehl.« Der Blick ve r tiefte sich und raubte Aideen den Atem. Ihr Herz raste, aber es gab nichts, das sie gegen den fremden Willen hätte tun können.
    Tu es!, hallte es in ihrem Kopf. Und obwohl Zar i fe nicht laut sprach, wusste Aideen, dass die Worte von ihr stammten.
    Tu es jetzt. Ich befehle es dir.
    Nein!
    Etwas in Aideen kreischte auf, wollte sie warnen. Aber es war zu schwach. Ohne zu überlegen, wirbe l te sie herum und rammte der Oberin den Dolch tief in die Brust.
     
    ***
     
    Mit wehender Mähne trug Hákons Brauner seine be i den Reiter durch die zunehmende Dunkelheit. Das wütende Heulen der Dashken blieb hinter

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