Königin der Schwerter
Macht stand, um ihr zu helfen, aber es war vergebens.«
»Bei den Göttern!« Die Heilerin schlug bestürzt die Hände vor den Mund. »Was ist geschehen?«
»Bethia war sehr geschwächt«, erzählte Aideen. »Trotzdem hat sie darauf bestanden, dass Zarife auf dem Pferd reiten solle. Zarife lehnte ab, aber wie wir alle war auch Bethia ihr in tiefer Ehrfurcht ergeben und bestand nachdrücklich darauf, dass sie laufen könne. Sie hat ihre Erschöpfung geschickt übe r spielt. Nicht einmal ich habe bemerkt, wie schlimm es um sie stand. Irgendwann wurde sie langsamer und fiel z u rück. Dann brach sie zusammen und starb.«
»Wo ist sie jetzt?«, wollte die Heilerin wissen.
Aideen wies ihr den Weg.
»Gut.« Die Heilerin nickte, als Aideen geendet ha t te. »Ich werde sofort eine Gruppe Jägerinnen lossch i cken, die ihren Leichnam bergen, ehe es du n kel wird«, sagte sie. »Bethia soll eine ehrenvolle Bestattung erha l ten.« Sie verstummte und schaute Aideen an. »Es ist ein frühes und schweres Erbe, das du antrittst«, sagte sie voller Mitgefühl. »Ich wü n sche dir die Kraft, es anzunehmen.« Damit wandte sie sich um und ging davon.
»Aideen!« Das war Mels Stimme. Aideen sah auf und bemerkte, wie ihre Freundin sich aus dem Pulk löste, der sich um Zarife und die Oberin gebildet ha t te. »Zarife sagt, du sollst das Pferd an jemanden geben, der es versorgt, und uns dann ins Heiligtum begle i ten.« Etwas an dem Ton, den Mel anschlug, gefiel Aideen nicht. Sie konnte das Gefühl jedoch nicht gre i fen und verdrängte es. »Ich komme«, sagte sie und rief eine Novizin zu sich, der sie auftrug, sich um Silfri zu kümmern. Dann folgte sie Mel.
»Die Seherin ist da, Herrin.« Mel verneigte sich und deutete auf Aideen.
»Gut.« Zarife zog das Wort etwas in die Länge, und wieder beschlich Aideen ein ungutes Gefühl. Sie schob es auf die Aufregung und das, was ihr bevorstand. E i gentlich wäre es an diesem Abend Bethias Aufgabe gewesen, den Körper zu töten, dem Zarife innewoh n te, ihr das Herz herauszuschneiden und es in Zarifes alten, unversehrten Körper zu l e gen, damit auch die Seele zurückwandern konnte. Aber Bethia war tot, und sie war ihre Nachfolgerin. Alle Farbe wich aus Aideens Gesicht, als sie das ganze Ausmaß dessen begriff, was das bedeutete. Plötzlich bekamen auch die Worte der Heilerin einen Sinn, die ihr die Kraft gewünscht hatte, das schwere Erbe anzunehmen.
Aideen schluckte schwer. Sie wusste, dass sie die Kraft für das Ritual nicht besaß. Noch nie hatte sie Blut sehen können, ohne dass ihr dabei übel wurde. Gewiss würde sie bei der Zeremonie ohnmächtig we r den. Was das für Folgen haben würde, daran wagte sie gar nicht zu denken. Wie eine dunkle W o ge schlugen Trauer und Verzweiflung jäh über ihr zusammen. Sie fühlte sich einsam und verlassen und wünschte sich nichts sehnlicher, als dass Bethia noch am Leben wäre.
Da war eine Hand, die sich auf Bethias Stirn legte, ein Knistern, ein Erbeben des Körpers und Furcht in i h ren Augen …
Wie aus dem Nichts schälte sich eine Erinnerung aus dem Nebel, der Aideens Gedanken zu umfangen schien. Sie spürte, dass sie wichtig war, und wollte sie festhalten, aber sie entschlüpfte ihr, ehe sie sie greifen konnte, und ließ sie ratlos zurück.
»Komm, mein Kind!« Sie spürte die Hand der Ob e rin auf der Schulter, die sie drängte, Zarife in die Hö h len zu folgen. »Bethias Tod ist ein schwerer Verlust angesichts dessen, was noch vollbracht we r den muss«, sagte die Oberin, und es klang fast wie ein Vorwurf. »Diese alte Närrin handelte völlig ve r antwortungslos. Sie hätte wissen müssen, was sie mit ihrer blinden E r gebenheit aufs Spiel setzte. Zarife das Pferd zu überla s sen, mag ihr edelmütig e r schienen sein. Doch war es kurzsichtig und dumm. Ohne sie steht das Gelingen der Zeremonie auf Me s sers Schneide.« Die Oberin schaute Aideen tief in die Augen. »Unsere Hoffnungen ruhen nun allein auf dir, meine Tochter. Du bist die Einzige, die vol l bringen kann, was Bethias Hände nicht mehr ve r mögen. Enttäusche uns nicht.«
Aideen nickte stumm. Ihre Kehle war wie zug e schnürt. Es gab keine Worte und keine Entschuld i gung für das, was sie spürte: Sie wusste, dass sie vers a gen würde.
Ich kann es nicht, kreischte es in ihr. Ich kann es nicht. Aber sie wusste, dass sie das nicht sagen dur f te. Nicht hier, nicht jetzt, niemals. Sie war gefangen in ihrem Schicksal und musste sich ihm fügen, was i m mer daraus
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