Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Königin der Schwerter

Königin der Schwerter

Titel: Königin der Schwerter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Felten
Vom Netzwerk:
ihnen z u rück, während der Mond im Osten aufging und sich sogleich wieder hinter den Wolken verbarg. Hákon spürte, dass das Pferd ermüdete, wagte es aber nicht, ihm jetzt schon etwas Ruhe zu gönnen. Er wusste, wie unberechenbar die Dashken waren und dass ihm nicht mehr viel Zeit blieb, das Hoc h land zu verlassen. Er wusste aber auch, dass weder sein Pferd noch die fremde Frau vor ihm einen solch mörder i schen Ritt lange würden durchhalten kö n nen. Den linken Arm spürte er kaum noch; er hatte ihn um die Taille der Fremden geschlungen, die immer wi e der am Rand der Oh n macht entlangglitt und schon zweimal fast vom Pferd gerutscht wäre, wenn er sie nicht festgehalten hätte. Er fragte sich, wer sie wohl sein moc h te.
    Er war zurückgeritten, weil er sich um Tisea und Peme sorgte, hatte die beiden aber nirgends finden können. Als er die Suche schon aufgeben wollte, hatte er das Heulen der Dashken gehört und befürc h tet, dass Tisea und Peme wieder in Gefahr sein könnten. Unverzüglich hatte er sein Pferd auf einen Hügel g e lenkt und gesehen, wie sich die schwarze Flut in die Täler unweit des Hügels ergossen und auf eine Gestalt zugehalten hatte. Mit bangem Herzen hatte er die ve r zweifelte Flucht der jungen Frau mit angesehen, die die tödliche Gefahr viel zu spät e r kannt hatte und auf ihn zugestürmt kam. Als er g e sehen hatte, wie nah die Wölfe ihr schon gewesen waren, hatte er sein Pferd zu einem neuerlichen G a lopp angetrieben.
    Am Ende hatte er sie um Haaresbreite retten kö n nen, ein heldenhafter Handstreich, den er nicht z u letzt der Hüterin verdankte, unter deren Schutz er noch immer stand.
    Nun saß die fremde Frau vor ihm. Seltsam gewa n det und zitternd vor Kälte, die Haare zerzaust und am Ende ihrer Kräfte. Gern hätte er sie gefragt, woher sie kam und was sie im Hochland zu suchen hatte, aber noch war nicht die Zeit zu reden. Der rettende Wald war fern, eine beängstigend dünne Linie am Horizont, und es war fraglich, ob sein Pferd es rechtzeitig dorthin schaffen würde.
     
    ***
     
    Im Heiligtum der Hüterinnen war es so still, dass das erstickte Röcheln der Oberin unnatürlich laut e r schien. Die Augen weit aufgerissen, blickte sie auf den Dolch, der aus ihrer Brust ragte, dann auf A i deen, die einen Schritt zurückgewichen war und die Sterbende verstört und erschrocken zugleich anstar r te. Als könne sie nicht begreifen, dass ihr Leben verwirkt war, hielt die Oberin sich weiter aufrecht, wandte den Kopf und sah Zarife an. Kein Zorn lag in ihrem Blick, nur eine tiefe Verwirrung. Blut quoll aus ihren Mundwinkeln, und ihre Lippen bebten, als sie mit letzter Kraft ein einziges Wort formte: »W a rum?«
    Zarife ließ sich mit der Antwort Zeit. Ungerührt beobachtete sie, wie die Kraft die Oberin verließ. Ihre Beine knickten ein, und sie schlug hart auf dem Boden auf. Ein letzter gurgelnder Laut entfloh den blutigen Lippen, während das Licht in ihren Augen erlosch und ihr Körper erschlaffte.
    »Weil ich die Herrscherin von Benize bin«, sagte Zarife kühl, schritt um den Altar herum und zog den Dolch mit einem verächtlichen Laut aus der Brust der Toten. »In diesen Höhlen ist nur Platz für eine H o hepriesterin.«
    Aideen beobachtete sie von einem seltsam entrüc k ten Blickwinkel aus. Ihr war, als geschehe all das nicht wirklich, und wusste doch, dass es die bi t tere Wahrheit war.
    Ich habe sie getötet, schoss es ihr durch den Kopf. Sie wusste, dass Scham, Reue, Trauer oder gar Ve r zweiflung einen solchen Gedanken begleiten sollten. Aber sie spürte nichts dergleichen. Sie hatte getötet, und es ließ sie kalt.
    »Du bist mir wahrlich eine treue Dienerin, A i deen«, lobte Zarife.
    Aideen sagte nichts. Sie sah, wie es um Mels Mundwinkel zuckte, als wären die Worte für sie wie ein Schlag ins Gesicht. Sie straffte sich, trat vor, deut e te auf den Leichnam auf dem Altar und fragte dem ü tig: »Herrin, verzeiht, aber was ist mit …?«
    »Damit?« Zarife trat vor den Altar und nahm den Stab an sich, den ihr alter Körper umklammert hielt. Die Finger der Toten brachen mit einem schaurigen Knacken und fielen zu Boden. Es staubte. »Von ihr nehme ich nur das hier«, erklärte Zarife lächelnd. »Der Rest«, sie legte die Hand auf das Gesicht der Toten, woraufhin deren Körper mit einem grausig zischenden Laut zu Staub zerfiel, »ist nicht wichtig.«
    »Aber …« Aideen konnte nicht glauben, was sie sah. Es war, als zerfiele mit der Toten alles, woran sie

Weitere Kostenlose Bücher