Königin der Schwerter
Scheibe.
»Hoffentlich ist in Irland besseres Wetter«, mu r melte sie.
»Bestimmt nicht.« Manon ließ keine Gelegenheit aus, Sandra die Reise schlechtzureden.
»Na, du kannst einem Mut machen.« Sandra set z te ihre Tasse ab.
»Ich möchte eben, dass du hierbleibst.« Manons Stimme klang wirklich besorgt. »Hast du schon ang e rufen und dich angemeldet?«
»Nein.« Sandra schüttelte den Kopf. »Gestern war immer besetzt. Ich versuche es nachher wieder.«
»Vermutlich haben sie fünfhundert Leute ang e schrieben, die jetzt alle wissen wollen, ob man sich den Gewinn auch auszahlen lassen kann.« Manon grinste.
»Ist mir egal. Ich fahre. Ich will einfach nur weg.« Sie nahm noch einen Schluck vom Instant-Kaffee und schüttelte sich.
»Du kannst doch auch bei mir wohnen«, bot M a non an. »Du störst mich nicht, ehrlich. Und wenn du einen Monat bleibst. Ist kein Problem.« Sie machte eine Pause und fügte hinzu: »Ich kaufe auch richt i gen Kaffee.«
»Lieb von dir.« Sandra lächelte. »Aber ich fa h re.«
Geh zum Fenster.
Sandra zuckte zusammen. Da war es wieder, das Zupfen in ihren Gedanken, das sie Dinge tun ließ, die sie eigentlich nicht tun wollte. Sandra straffte sich und blieb sitzen.
Geh! Sandra biss die Zähne zusammen. Die Stimme hatte an Kraft gewonnen. Sie wollte nicht zum Fenster gehen, aber obwohl sie sich dagegen wehrte, war es ihr unmöglich, sitzen zu bleiben. Wie von selbst führten ihre Arme und Beine die Bew e gungen aus. Sandra fühlte sich wie ein Geist. Gefa n gen in einem Körper, der ihr nicht gehorchte, musste sie erleben, wie sie zum Fenster ging. Sekunden des Wahnsinns, fast wie in einem Albtraum. Sie wollte aufschreien und um Hilfe rufen, aber nicht einmal das gelang ihr. Als sie am Fenster stand, fanden Körper und Geist mit einem Ruck wieder zusa m men. Sandra keuchte auf und schloss die Augen. Ihr war schwindelig, und sie fühlte sich einer Ohnmacht nahe.
»Sandra?« Manon sprang auf und kam besorgt zu ihr. »Du meine Güte, was ist denn los? Du bist ja ganz blass.« Während sie Sandra mit einem Arm Halt gab, öffnete sie mit der anderen Hand das Fen s ter einen Spalt weit. »Hast du in letzter Zeit öfter Probleme mit dem Kreislauf?«
Sandra schüttelte den Kopf und atmete tief durch. Der Wind drückte frische Luft ins Zimmer. »Es geht schon wieder, danke«, sagte sie matt und stützte sich mit beiden Händen auf der Fensterbank ab.
»Wirklich?«
»Ja.« Nur zögernd wagte Sandra, die Augen wieder zu öffnen. Unten auf der Straße huschten die Autos vorbei wie geschäftige Tiere. Eine Frau mit Kinderw a gen kämpfte gegen den Wind an, und ein Mann mit Hund studierte unter dem Vordach des gegenüberli e genden Hauses einen Zettel, den er in der Hand hielt. Ein Mann mit einem Hund – mit einem schwarzen Hund.
Sandra zuckte zusammen. Aus dem dritten Stock waren kaum Einzelheiten zu erkennen, aber das war auch nicht nötig. Sie wusste, wer dort unten stand. Er!
Furcht schnürte ihr die Kehle zu. »Manon?«
»Ja?« Manon war sofort an ihrer Seite.
»Hast … hast du ein Namensschild an deinem Briefkasten?«
»Wie bitte?«
»Ein Namensschild«, wiederholte Sandra ungedu l dig. »Ich will wissen, ob dein Name unten am Brie f kasten steht?«
»Nein, wieso? Erwartest du Post? Ich hatte noch keine Zeit, eines anzubringen. Ich wohne ja noch nicht lange hier.«
»Gut.« Sandra atmete auf. »Dann kann er mich nicht finden.«
»Finden? Wer?« Es war Manon deutlich anzus e hen, dass sie Sandra nicht folgen konnte.
»Der Mann mit dem Hund. Der, der bei mir ei n gebrochen hat.«
Manon wurde es nun endgültig zu viel. »Leiden wir jetzt etwa auch noch an Paranoia?«, fragte sie gereizt. »Nun komm mal langsam wieder zu dir, sonst schle p pe ich dich heute noch zu einem Psych i ater.«
»Aber er ist da.« Mit einem Kopfnicken deutete Sandra auf das Haus gegenüber. »Da unten auf der Straße.«
»Wo?« Manon reckte sich. »Da ist niemand.«
Für den Rest des Tages bewegte Sandra sich nicht vom Fenster weg. Die Straße fest im Blick, saß sie auf e i nem Stuhl und wartete. Manons Spott prallte ebenso an ihr ab wie deren gut gemeinte Versuche, sie zu etwas and e rem zu überreden. Sollte Manon sie ruhig für verrückt halten. Sie brauchte ihre Freundin nicht mehr. Sie brauchte niemanden mehr. Wenn sie mo r gen im Bus zum Flughafen säße, würde sich alles zum Guten we n den, dessen war sie sich sicher. Nur eine Nacht noch musste sie durchhalten, sich nur noch ein
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