Königin der Schwerter
Schrammen übersät.
Der Anblick schürte Wut und Verzweiflung in Hákon. Er hatte die Mädchen schützen wollen, aber er hatte versagt. »Diese Dreckskerle!« Hákon ballte die Fäuste. Er wusste, wozu die Krieger der Garde fähig waren. In den Schankstuben Torpaks brüsteten sie sich nur zu gern mit dem, was sie den Frauen im Krieg gegen die Tamjiken angetan hatten.
Taumelnd bewegte Hákon sich auf Tisea zu, las e i ne Decke vom Boden auf und bedeckte damit ihre Blöße. Sie atmete, aber sie rührte sich nicht. Ihr Kö r per zeigte Spuren schlimmer Misshandlungen. Hákon wagte nicht, sich vorzustellen, was das Mä d chen hatte erdulden müssen. Kummer, Wut und Schmerz schnürten ihm die Kehle zu. Weinen kon n te er nicht.
Er spürte einen Blick auf sich ruhen und schaute auf Peme starrte ihn an, und was er in ihren Augen sah, ließ ihn frösteln. Niemals zuvor hatte er einen so sinnentleerten Blick gesehen, jenseits allen Schmerzes, der ihn einfach zu durchdringen schien. Es war der Blick einer Toten, leblos und kalt. Die Gardisten ha t ten sie nicht angerührt, aber Hákon ahnte, dass sie alles mit angesehen hatte.
***
Es war die Kühle auf der Stirn, die Tisea aus dem Dunkel holte, das sie umfangen hielt. Für einen A u genblick noch blieben die Bilder verschwommen und die Gefühle fern. Dann sah sie den Mann, der sich über sie beugte, bäumte sich auf und schrie.
Unter der Bewegung explodierte ihr Körper vor Schmerzen. Ihre Haut brannte wie Feuer, und in i h rem Unterleib wüteten heftige Krämpfe. Doch die Furcht war stärker und verlieh ihr ungeahnte Kräfte. Mit beiden Fäusten schlug sie auf den Mann ein und trat nach ihm, als dieser ihre Hände packte. Sie schnappte mit den Zähnen nach seinem Arm und wand sich wie ein gefangenes Tier, um sich aus se i nem Griff zu befreien. Der Mann keuchte. Ein Laut, den Tisea nicht ertragen konnte. Tränen stiegen ihr in die Augen, und sie schrie ihre Pein in den Wald hinaus.
»Tisea!«
Der Name zog an ihr vorbei. Ein Wort. Bede u tungslos. Am Abgrund des Wahnsinns gab es keine Namen, nur Furcht und Schmerzen. Sie war die Be u te. Eine leichte Beute, zur endlosen Qual verdammt. Die Gewissheit zu unterliegen, steigerte ihre Panik ins Unermessliche. Das Keuchen des Mannes wurde heft i ger. Tisea öffnete den Mund zu einem erneuten Schrei, als ihr ein Schwall eisigen Wassers jäh den A tem raubte. Hustend und spuckend fuhr sie in die Höhe und rieb sich mit den Händen über das G e sicht, während ihr das Wasser aus den Haaren in eisigen Rinnsalen den Rücken hinabfloss.
Verwirrt öffnete sie die Augen und schnappte nach Luft. Peme kniete neben ihr, einen Wasse r schlauch in den Händen.
»Danke.« Die dunkle Männerstimme ließ die Furcht in Tisea aufs Neue entflammen. Ruckartig drehte sie sich um und hob drohend die Hand. Dann erkannte sie, wer gesprochen hatte.
»Há… Hákon?« Ihre Stimme war rau wie ein Rei b eisen. Unfähig zu begreifen, was Traum und was Wirklichkeit war, blickte sie den jungen Wal d läufer an. »Hákon.« Sie schluchzte auf Ihre Lippen bebten. Dann begann sie zu weinen.
***
Übermüdet vom frühen Aufstehen und leicht genervt von der zweistündigen Fahrt im überfüllten Bus, e r reichten Sandra und Manon am frühen Donnersta g morgen das Flughafengelände.
Noch während der Fahrt hatte Manon Zweifel g e äußert, dass die Reise auch wirklich stattfinden wü r de. Ihre Bedenken erwiesen sich jedoch als unb e gründet. Bei ihrer Ankunft im Terminal 2 war das große Schild mit der Aufschrift »Herzlich willkommen bei Vitae n zymreisen« ebenso wenig zu übers e hen wie der Pulk von Senioren, die sich mit ihrem Handgepäck um eine eigens errichtete Vitalbar drängten, an der für alle G e winner der Reise ein kostenloser Begrüßungscocktail bereitstand.
Nach dem Einchecken hieß es dann erst einmal warten. Sandra und Manon vertrieben sich die Zeit bis zum Abflug mit Lesen.
»So langsam bekomme ich Hunger.« Manon schlug ihr Buch zu und sah Sandra an. »Lust auf ein zweites Frühstück?«
»Klar.« Sandra schaute auf die Uhr. »Wir haben noch fast eine Stunde, das sollte für einen Kaffee g e nügen.« Sie rollte ihre Zeitschrift zusammen und öf f nete den Rucksack, um sie hineinzustecken, da packte Manon sie am Arm.
»Was ist das?« Manon deutete auf ein längliches Paket, das, sorgfältig in Handtücher gewickelt, im Rucksack steckte.
»Das?« Sandra gab sich unbefangen. »Das ist die Skulptur
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