Königin der Schwerter
Hände von den Fesseln zu befreien, während sie ihren Rücken gleichzeitig so fest an den Felsen presste, als könne dieser ihr Schutz bi e ten.
Dann wandten sich die Männer ihr zu. Ein Scha t ten fiel auf Tisea so drohend und unheilvoll wie ein Vorbote dessen, was gleich geschehen würde. Der A n führer der Gruppe bückte sich, legte seine schwielige Hand unter ihr Kinn und grinste sie an.
»Was wollt ihr von mir?« Tiseas Stimme bebte vor Angst. Ihre Lippen waren aufgesprungen, der Mund trocken.
»Na, was schon?« Der weinsaure Atem des Anfü h rers ging stoßweise und streifte ihre Wange. »Du bist ein hübsches Ding.«
Dann packte er Tiseas Beine und zog sie mit e i nem kräftigen Ruck nach vorn. Ein scharfer Schmerz durc h zuckte ihre Arme und Handgelenke, als sie auf den R ü cken fiel. Ihr Kopf prallte hart auf die Erde und die Luft entfuhr pfeifend ihren Lungen. Sie wollte schreien, aber ihre Kehle war so zugeschnürt, dass sie keinen Ton h e rausbrachte. Die Männer schleiften sie ein Stück weit über den Boden und lösten die Fesseln an ihren Füßen. Sie wollte nach ihnen treten, doch die Männer waren vorbereitet und hielten sie fest, wä h rend der Anführer mit begehrlichem Grinsen vor sie trat.
Mit den Worten: »Dann wollen wir doch mal s e hen, wie es darunter aussieht«, riss er ihr das G e wand bis zum Hals auf. Die Bewegung löste die Enge in Tiseas Hals. Sie bäumte sich auf und schrie ihre Ve r zweiflung in den Wald hinaus. Wie ein g e fangenes Tier wand sie sich unter den Händen ihrer Peiniger, die plötzlich überall zu spüren waren.
Ihr Gebaren schien die Männer nur noch mehr a n zustacheln. Tisea hörte sie lachen und schmutzige Worte rufen. Dann waren die Hände fort, und der Anführer warf sich mit roher Gewalt auf sie. Tiseas letzter Gedanke galt Peme. Sie betete zu den Gö t tern, dass auch diese Männer sie für einen Jungen hielten, damit ihr all dies erspart bliebe. Dann ex p lodierte der Schmerz in ihr, und ihre Welt zerbarst in Scherben.
***
Grelles Sonnenlicht blendete Hákon, als er erwachte. In seinem Kopf wütete ein hämmernder Schmerz. Er lag auf dem Rücken, Arme und Beine weit von sich gestreckt. Über ihm wölbte sich ein Himmel aus Blä t tern, denen die Sonne einen goldenen Glanz verlieh. Ganz unvermittelt kam Bewegung in die Blätter, und sie begannen sich zu drehen. Hákon wurde schwind e lig. Hastig schloss er die Augen, aber das Gefühl wollte nicht weichen.
Wo bin ich? Was ist geschehen? Fragen blitzten in seinen Gedanken auf und verblassten wieder, o h ne dass er eine Antwort fand. Er stöhnte leise und wollte die Hand heben, um seinen schmerzenden Kopf zu betasten. Aber sein Arm war schwer wie Blei und g e horchte ihm nur widerwillig. Als er sein Haar berüh r te, durchzuckte ihn ein heißer Schmerz. Ruckartig zog er die Hand fort. Sie war rot von Blut. »Verdammt.« Hákon seufzte, schloss die Augen und ließ die Hand kraftlos zu Boden sinken.
Wenn ich mich doch nur erinnern könnte.
Doch so sehr es sich auch mühte, seine Erinn e rung endete an dem Punkt, da er sich am Abend z u vor schlafen gelegt hatte.
Zeit verstrich, und allmählich nahm er auch and e re Dinge wahr. Den Geruch des Waldes, das Hä m mern eines Spechtes, das leise strömende Geräusch eines Flusses und … ein leises Wimmern.
Hákon lauschte. Da weinte doch jemand. Wer immer es war, befand sich ganz in der Nähe. Ein Mä d chen … Peme! Und Tisea! Mit den Namen kehrte auch die Erinnerung zurück.
Die fünf Gardisten. Das Lager. Die Mädchen.
Hákon schnappte nach Luft. Ungeachtet der Schmerzen richtete er sich zum Sitzen auf und schaute sich um. Peme saß noch immer gefesselt an der Fel s wand. Sie hatte die Knie angewinkelt und presste die Stirn dagegen. Ihre Schultern bebten. Sie weinte.
Hákon versuchte aufzustehen, aber er war zu schwach, die Beine versagten ihm den Dienst. Die Anstrengung brachte ihm ein heftiges Schwindelg e fühl ein. Übelkeit übermannte ihn, er würgte und erbrach seinen kargen Mageninhalt auf den Waldboden. D a nach fühlte er sich etwas besser. Er gönnte sich einen kurzen Augenblick der Ruhe, um neue Kräfte zu sammeln.
Dann sah er Tisea. Sie lag halb entblößt nur w e nige Schritte von Peme entfernt. Sonnenstrahlen streiche l ten ihre bleiche Haut und konnten doch nicht darüber hinwegtäuschen, was man ihr angetan hatte. Gesicht und Hände waren von Erde verdreckt, Blätter hingen in den wirren Haaren, ihr Körper war von blutigen
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