Königin des Lichts: Drei Romane in einem Band (German Edition)
unterhaltsam. »Schöne Worte und Dichtung?«
»Nein, die reine Wahrheit.«
»Auf jeden Fall höre ich es gerne. Es ist ein Luxus, hier ein Feuer brennen zu haben, aber heute Abend gibt es Wein und Wild, und ich habe einen willkommenen Gast.«
Am Kopfende der langen Tafel waren zwei Plätze mit Silber, Kristall und Leinen gedeckt, das so weiß war wie der Schnee vor dem Fenster. Hinter ihnen prasselte ein gewaltiges Feuer.
Bedienstete erschienen, um Wein und Suppe zu servieren. Hätte Kylar den Blick von Deirdre wenden können, so hätte er vermutlich das Funkeln in deren Augen gesehen. Immer wieder zwinkerten sie sich zu und grinsten sich an.
Deirdre merkte ebenso wenig davon, denn sie war vollauf mit ihrem ersten offiziellen Mahl mit einem Gast von außerhalb ihrer Welt beschäftigt. »Die Speisen sind einfach.«
»Ich finde sie köstlich. Außerdem ist mir deine Gesellschaft Nahrung genug.«
Sie betrachtete ihn nachdenklich. »Schöne Worte gefallen mir, aber ich habe keine Erfahrung mit solchen Gesprächen.«
Er nahm ihre Hand. »Das lässt sich ändern.«
Lachend schüttelte sie den Kopf. »Erzähl mir von deinem Zuhause, deiner Familie. Deiner Schwester«, erinnerte sie sich. »Ist sie schön?«
»Das ist sie. Ihr Name ist Gwenyth, und sie hat vor zwei Jahren geheiratet.«
»Liebt sie ihren Mann?«
»O ja. Er war ein Nachbarssohn und Freund der Familie. Die beiden mögen sich schon seit ihrer Kindheit. Als ich sie zum letzten Mal gesehen habe, erwartete sie gerade ihr zweites Kind.« Ein Schatten legte sich über sein Gesicht. »Ich hatte gehofft, bis zur Geburt zurück zu sein.«
»Und dein Bruder?«
»Riddock ist jung und eigenwillig. Er kann reiten wie der Teufel.«
»Du bist stolz auf ihn.«
»Das bin ich. Er würde Gedichte für dich schreiben.« Kylar hob seinen Kelch. »Darauf versteht er sich. Am liebsten lockt er hübsche Mädchen im Mondschein in den Garten hinaus.«
Beiläufig stellte sie Fragen, um das Gespräch in Gang zu halten. So musste sie selbst nicht viel sagen, und außerdem genoss sie es, ihn wie selbstverständlich von Dingen sprechen zu hören, die für sie ein Wunder waren.
Sommer und Gärten, in einem Teich zu schwimmen und durch ein Dorf zu reiten, in dem die Leute zum Markt strömten. Glänzende rote Äpfel – wie sie wohl schmeckten?
Körbe mit Blumen, von deren Duft sie nur träumen konnte.
In ihrem Kopf entstand ein Bild von seinem Heim, das sie vor sich sah wie ein Buch.
Doch das Bild von ihm, das in ihr entstand, ging über alles hinaus, was sie jemals in einem Buch gefunden hatte.
Sie verlor sich an ihn, an die Art, wie sich seine Stimme hob und senkte, an sein Lachen. Später würde sie dafür bezahlen müssen, aber sie war bereit dazu. Tagelang hätte sie so sitzen und ohne besonderes Ziel, ohne nagende Sorgen mit ihm plaudern mögen. Einfach nur mit ihm am warmen Feuer sitzen, den köstlichen Wein auf ihrer Zunge schmecken und die tiefe Vertrautheit in seinem Blick genießen.
Sie wehrte sich nicht, als er ihre Hand nahm und mit ihren Fingern spielte. Wenn das Tändelei war, so war es ein höchst angenehmer Zeitvertreib.
Sie sprachen von fernen Ländern und Kulturen, von Gemälden und Theaterstücken.
»Du hast die Bibliothek gut genutzt«, stellte er fest. »Ich kenne wenige Gelehrte, die derart belesen wären.«
»Ich erschließe mir die Welt durch Bücher und das Leben durch Geschichten. Einmal im Jahr, zur Sommersonnenwende, führen wir ein Theaterstück auf. Ich wähle eine Geschichte aus, und jeder übernimmt eine Rolle. Dazu gibt es Musik und Spiele. Das nackte Überleben ist nicht genug. Es muss Farben und Freude geben.«
Es gab Zeiten, in denen ihr die Sehnsucht nach bunten Farben insgeheim die Tränen in die Augen trieb.
»Alle Kinder lernen lesen und rechnen«, fuhr sie fort. »Wenn man nur ein einziges Fenster zur Welt hat, muss man es so gut wie möglich nutzen. Einer meiner Männer
– eigentlich ist er noch ein Kind – schreibt Geschichten. Er ist ein wahrer Meister darin.«
Beim Klang ihrer Stimme wurde ihr bewusst, dass sie schon eine geraume Zeit redete. »Ich habe dich lange genug aufgehalten.«
»Nein.« Seine Hand schloss sich um die ihre. Ihm wurde klar, dass es für ihn nie genug sein würde. »Erzähl mir mehr. Du spielst ein Instrument, nicht wahr? Die Harfe. Ich habe dich spielen und singen hören. Es war wie ein Traum.«
»Du lagst im Fieber. Ich spiele ein wenig. Vermutlich eine Begabung, die ich von meinem Vater
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