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Königin des Lichts: Drei Romane in einem Band (German Edition)

Königin des Lichts: Drei Romane in einem Band (German Edition)

Titel: Königin des Lichts: Drei Romane in einem Band (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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geerbt habe.«
    »Ich würde dich gern wieder spielen hören, Deirdre. Wirst du das für mich tun?«
    »Wenn du möchtest.«
    Doch als sie sich erhob, stürzte einer der Männer herein, die bei Tisch bedient hatten. »Herrin, der junge Phelan!«
    »Was ist passiert?«
    »Er hat mit den anderen Jungen auf der Treppe gespielt und ist gestürzt. Wir können ihn nicht aufwecken. Herrin, wir fürchten, er stirbt.«

6
    D A SIE ANGST hatten, ihn zu bewegen, hatten sie eine Decke über den Jungen gebreitet und ihn am Fuß der Treppe liegen lassen. Auf den ersten Blick hatte Kylar geglaubt, das Kind wäre bereits tot. Er hatte genug Tod gesehen, um ihn zu erkennen, wenn er ihm begegnete.
    Er schätzte den Jungen auf etwa zehn. Er hatte blondes Haar und ein rundes Kindergesicht. Aber seine Wangen waren grau, und das Haar war blutverklebt.
    Die Menschen, die um den Verunglückten standen und knieten, gaben den Weg frei, als Deirdre heraneilte.
    »Zurück«, befahl sie. »Macht Platz.«
    Bevor sie niederknien konnte, warf sich ihr eine weinende Frau zu Füßen und umklammerte mit blutverschmierten Händen ihr Kleid. »Mein Baby! Bitte, Herrin, helft meinem kleinen Jungen.«
    »Das werde ich, Ailish. Natürlich werde ich das.« Da sie wusste, dass jede Sekunde zählte, beugte Deirdre sich vor und löste energisch die Hände der verzweifelten Frau. »Seinetwegen musst du stark sein und Vertrauen haben. Lass mich ihn untersuchen.«
    »Er ist ausgerutscht, Herrin.« Ein anderer Junge trat mit unsicherem Schritt vor. Seine Augen waren trocken, aber vom Schreck geweitet, und auf seinen Wangen waren noch die Spuren getrockneter Tränen zu sehen. »Wir haben auf der Treppe Pferd und Reiter gespielt, und er ist ausgerutscht.«
    »In Ordnung.« Zu viel Kummer, dachte sie, denn sie spürte, wie dieser sie zu überwältigen drohte. Zu viel Furcht. »Es kommt alles wieder in Ordnung. Ich kümmere mich um ihn.«
    »Deirdre.« Kylar sprach so leise, dass nur sie ihn über das Weinen der Mutter hinweg hören konnte. »Du kannst hier nichts ausrichten. Ich kann den Tod riechen.«
    Sie auch, und daher wusste sie, dass ihr nur wenig Zeit blieb. »Ist der Geruch des Todes nicht der Geruch der Furcht?« Sanft fuhr sie mit den Händen über den in sich zusammengesunkenen kleinen Körper, tastete nach Verletzungen und fand solch entsetzliche Wunden, dass ihr das Herz schmerzte. Für so etwas gab es keine Arznei. Aber ihr Gesicht war gefasst, als sie aufblickte.
    »Cordelia, hol mir meine Tasche mit den Heilmitteln, aber beeil dich. Und ihr anderen lasst mich bitte mit ihm allein. Ailish, du musst jetzt gehen.«
    »O nein, bitte nicht, Herrin. Bitte, ich muss bei meinem Jungen bleiben.«
    »Vertraust du mir?«
    »Herrin, das tue ich.« Sie griff nach Deirdres Hand und ließ ihre Tränen darüber fließen.
    »Dann tue, was ich dir sage. Geh und bete.«
    »Sein Genick«, fing Kylar an, verstummte jedoch, als Deirdre herumfuhr und ihm einen vernichtenden Blick zuwarf.
    »Still jetzt! Hilf mir oder geh, aber stell mich nicht infrage.«
    Als man Ailish praktisch fortgetragen hatte und sie beide allein mit dem blutenden Jungen zurückblieben, schloss Deirdre die Augen. »Dies wird für ihn sehr schmerzhaft
werden. Das tut mir Leid, aber ich kann es nicht ändern. Halte ihn fest, halte ihn so still, wie du kannst, und greif in keiner Weise ein. In keiner Weise, verstehst du?«
    »Nein.« Dennoch kniete er sich so neben den Jungen, dass er dessen Arme fest halten konnte.
    »Verbanne jeden Gedanken an den Tod«, befahl sie, »jede Furcht, jeden Zweifel. Verbanne sie, wie du es in der Schlacht tun würdest. Hier gibt es schon zu viel Dunkel. Kannst du das tun?«
    »Ja, das kann ich.« Und weil sie ihn darum gebeten hatte, beschwor Kylar die Kälte herauf, mit deren Hilfe er in die Schlacht ging.
    »Phelan«, sagte sie, »Phelan, der Barde.« Ihre Stimme klang weich, fast einschläfernd, als sie mit den Händen über seinen Körper fuhr. »Sei stark für mich.«
    Sie kannte ihn, hatte ihn heranwachsen und zu dem werden sehen, was er war. Sie kannte den Klang seiner Stimme, sein blitzendes Lächeln, seinen schnellen Verstand. Seit seinem ersten Atemzug gehörte er zu ihr, wie alle auf der Rosenburg.
    Die Verschmelzung mit ihm fiel ihr daher leicht.
    Während ihre Hände arbeiteten, streichelten, kneteten, glitt sie in seinen Geist hinein. In ihrem Inneren spürte sie sein Lachen, als er mit seinen Freunden auf der schmalen Steintreppe herumsprang, fühlte wie

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