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Königin für neun Tage

Königin für neun Tage

Titel: Königin für neun Tage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Michéle
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sagte er: »Ratten! Wenn ihr nicht auf mich aufpasst, werde ich morgen nur noch ein abgenagter Haufen Knochen sein.«
»Ha, ha, Ihr habt einen seltsamen Sinn für Humor.« Die Wache beugte sich zu Norman nieder, um seine Fesseln zu überprüfen. Plötzlich keuchte der Mann und fiel wie ein nasser Sack auf Normans Brust, dem das Gewicht beinahe die Luft nahm. Außerdem spürte er eine warme, klebrige Flüssigkeit an seinem Hals. Da er selbst keine Schmerzen verspürte, musste es wohl das Blut der Wache sein. Die Fackel war zu Boden gefallen, aber nicht verlöscht. So erkannte Norman die Stichwunde am Hals des Wächters.
»Pst, Norman. Keinen Laut!«, hörte er da eine wispernde Stimme, und sein Herz begann schneller zu schlagen.
Antonia! Wortlos formten seine Lippen ihren Namen, doch es war jetzt keine Zeit, Fragen zu stellen. Jeden Moment konnte der zweite Mann hereinkommen, um nach dem Verbleib seines Kameraden zu schauen. Norman merkte, wie sich die Stricke von seinen Händen lösten; kaum waren seine Hände frei, schubste er den leblosen Körper des Mannes von sich und knotete auch seine Fußfesseln auf. Derweil versuchte Antonia offenbar, die Lücke an der Rückwand des Stalls zu vergrößern, denn erneut splitterte Holz. Für Norman klang es so laut, als würde eine Kanone explodieren. Endlich war der Spalt groß genug, und Norman konnte sich durchzwängen.
»Rob, was ist los?«
Die Stalltür öffnete sich, und die zweite Wache trat ein. Sofort erkannte der Mann, was hier vor sich ging. Seine Hand zog das Schwert, und er rannte um den Stall herum zur Rückseite. In Normans Kopf arbeitete es fieberhaft. Noch hatte der Mann keinen Alarm gegeben, er musste ihn töten, bevor dieser seine Kameraden wecken konnte. Gewohnheitsmäßig fuhr seine Hand zur Hüfte, aber er fand sein Schwert nicht vor. Im schwachen Schein des Feuers erkannte Norman den blutigen Dolch in Antonias Hand, mit dem sie den anderen Mann niedergestochen hatte. Nun stürmte die Wache auf sie zu, und Antonia warf Norman den Dolch zu, sie selbst zog ihr Schwert. Metall klirrte auf Metall, Antonia parierte geschickt die Angriffe des Mannes.
»He, was ist da los?«
»Aufwachen! Der Gefangene versucht zu fliehen!«
Hilflos sah Norman, wie jetzt das ganze Lager mobil wurde. Mit dem Mut der Verzweiflung drang er von hinten auf Antonias Angreifer ein und rammte ihm den Dolch zwischen die Rippen. Gurgelnd sank der Mann zu Boden.
»Wir müssen weg!«, keuchte er und zog Antonia aus dem Lichtschein. Zu seiner Freude erkannte Norman eines der Pferde. Er schwang sich in den Sattel und zog Antonia hinter sich hoch. Nun waren alle erwacht, und Norman hörte John brüllen: »Verfolgt sie! Verdammt noch mal, lasst sie nicht entkommen!«
Norman drückte dem Pferd die Absätze in die Flanken und sprengte davon.
»Sie können uns nicht verfolgen. Ich habe ihren Pferden die Beine zusammengebunden«, hörte er Antonia hinter sich kichern.
Was für ein Teufelskerl, dachte Norman. Bevor er den Ausdruck jedoch in
Teufelsweib
korrigieren konnte, surrte etwas ganz dicht an seinem Ohr vorbei.
»Sie schießen mit Armbrüsten!«, schrie er und trieb das Ross weiter an. Einen Augenblick später hörte er, wie Antonia hinter ihm keuchte und schwer gegen seinen Rücken fiel. Er hatte jetzt aber keine Zeit, sich um sie zu kümmern, daher rief er nur: »Wir schaffen es! Halt dich gut fest!«
Zitternd vor Wut schnitt John mit einigen seiner Männer die Stricke durch, die um die Beine ihrer Pferde geschlungen waren, während andere auf die Flüchtenden schossen. Da es jedoch eine mondlose, dunkle Nacht war, hatten sie ihr Ziel aus den Augen verloren. John wusste, dass es zu lange dauerte, bis sie die Pferde befreit hatten. Voller Zorn schlug er dem Mann, der ihm am nächsten stand, die Faust ins Gesicht.
»Wie konnte das passieren? Das werdet ihr mir büßen, alle miteinander!«
    Sie ritten kreuz und quer und änderten immer wieder die Richtung, um ihre Spuren zu verwischen. Norman trieb das Pferd in einen seichten Fluss, trabte einige Meilen flussabwärts und dann erst wieder ans andere Ufer. Inzwischen dämmerte der Morgen am Horizont. Während der Flucht hatten sie kein Wort miteinander gewechselt, aber Norman hatte Antonia immer wieder leise aufstöhnen gehört. Jetzt wagte er es, eine Rast einzulegen. Als er abstieg, rutschte ihm Antonia besinnungslos entgegen. Jetzt sah er, dass ihr rechter Ärmel blutgetränkt war, aus dem Oberarm ragte der Pfeil einer Armbrust. Norman bettete

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