Königin für neun Tage
gemeinsam den Sturz des Königs geplant zu haben. Elizabeth hätte selbst den Thron besteigen und dann Seymour heiraten wollen, um ihn zum König zu machen. Antonia und Jane wussten, dass dies haltlose Verdächtigungen waren, denn die kluge, überlegene Elizabeth würde sich niemals auf eine solche Sache einlassen, trotzdem bangten sie um ihr Leben, als Thomas Seymour hingerichtet wurde. Schließlich erreichte Elizabeth dank der zärtlichen Liebe ihres Halbbruders, dass die Vorwürfe gegen sie fallengelassen wurden, obwohl Edward Seymour ihren hübschen Kopf nur zu gerne ebenfalls auf dem Schafott gesehen hätte. Seit dieser unruhigen Vorfälle lebte Elizabeth sehr zurückgezogen in ihrem Haus in Hatfield. Nur einige ihrer Vertrauten hatten die Erlaubnis erhalten, wieder in ihre Dienste zu treten, aber Elizabeth brauchte keinen großen Hofstaat um sich herum. Unregelmäßig erhielt Jane Briefe von ihrer Cousine, in denen aber nur von der Idylle und der Einsamkeit des Landlebens die Rede war.
Ein Mädchen brachte warmes Wasser, und Antonia half Jane, sich für das Abendessen anzukleiden.
»Auch du wirst für Weihnachten neue Kleider brauchen«, meinte Jane. »Dudley hat es sich nicht verkniffen, über meine schlichten Gewänder die Nase zu rümpfen, so dass meine Mutter bereits eine Schneiderin nach Bradgate bestellt hat. Sie wird auch für dich ein paar neue Kleider nähen, deine alten sind dir viel zu klein.«
Janes Blick wanderte über Antonias schlichtes rostbraunes Kleid, das deutlich über den Hüften spannte und eine Handbreit zu kurz war. Sie würde zwar nie üppige weibliche Rundungen besitzen, konnte aber inzwischen ihre Weiblichkeit nicht mehr verleugnen. Antonias Taille war schlank, die Schultern etwas breiter und ihre Brüste fest und klein. Das Schönste an Antonia aber war ihr schwarzes, lockiges Haar, das wie glänzende Seide über ihre Schultern fiel.
»Es wird deine Eltern nicht freuen, wenn sie wieder Ausgaben für mich haben«, gab Antonia zu bedenken.
»Meine Mutter wird sich fügen, sonst bin ich einfach zu krank, um nach Greenwich zu reisen. Das würde ihr gar nicht gefallen, denn meine Mutter wünscht, dass ich sooft wie möglich mit dem König zusammenkomme.«
Antonia drückte leicht ihren Arm. »Und du? Möchtest du es denn auch?«
Das Strahlen in Janes Augen war Antwort genug. Schüchtern nickte sie, hängte sich bei Antonia ein und gemeinsam gingen sie in die große Halle.
Aufmerksam ließ Frances Grey, die Herzogin von Suffolk, den Blick über ihre drei Töchter schweifen: Jane, mit fünfzehn Jahren die Älteste, die zwölfjährige Catherine und die erst siebenjährige Mary. Ihre Enttäuschung, dass sie keinem Sohn das Leben geschenkt hatte, hatte Frances Grey längst überwunden. Drei bildschöne Töchter waren mehr wert als ein Sohn, denn nach und nach wollte sie die Mädchen mit den Erben der höchsten Familien Englands verheiraten, allen voran Jane, der wohl die glänzendste Verbindung bevorstand. Nur schade, dass das Mädchen sich derartig hinter ihren Büchern verkroch und ihre aufblühende Schönheit meistens in grauen, schlichten Kleidern versteckte. Im Gegensatz dazu ließ die Bildung ihrer zweiten Tochter Catherine, die bei jedem Wetter draußen war und wie ein kleiner Teufel ritt, sehr zu wünschen übrig. Sie konnte nur mangelhaft lesen und schreiben, und an Literatur hatte Catherine überhaupt kein Interesse. Obwohl sich Frances Grey mehr modisches Interesse bei Jane wünschte, wusste sie auch, dass Wissen und Bildung für eine zukünftige Königin von England mehr von Bedeutung waren als edelsteinbesetzte Kleider. Sich über die seltsame Freundschaft ihrer Tochter mit Antonia Fenton zu wundern hatte Frances Grey längst aufgegeben. Unterschiedlicher konnten zwei Menschen kaum sein, dennoch hing Jane mit zärtlicher Liebe an der Älteren. Zu Anfang hatte es Frances Grey sehr gestört, irgendeine hergelaufene Adlige mit durchfüttern zu müssen, aber seit Lord Fenton ihnen regelmäßig eine größere Summe zukommen ließ, hatte sie gegen die Anwesenheit Antonias nichts mehr einzuwenden. Allerdings behandelte sie Antonia eher wie eine Dienstmagd denn ein gleichwertiges Mitglied des Haushalts. Bei den gemeinsamen Mahlzeiten, die im Allgemeinen sehr schweigsam verliefen, hielt sich Antonia im Hintergrund, ansonsten gab es nicht viel Kontakt mit Lady Suffolk. Janes Vater hielt sich ohnehin kaum in Bradgate Park auf, da er stets am Hof präsent sein musste.
»Ließe mein Vater
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