Königin für neun Tage
Tochter König Henrys Mary genannt. Jane Grey fungierte als Patin, denn das Kind wurde bereits wenige Stunden nach seiner Geburt getauft.
Unmittelbar danach erkrankte Lady Catherine am Kindbettfieber. In wirren Fieberträumen erhob sie zum Teil paranoide Vorwürfe gegen ihren Gemahl und Elizabeth. Ebenso beschuldigte sie Thomas Seymour, ein Verhältnis mit dem rothaarigen Küchenmädchen zu haben. Diese Äußerungen, wenn auch im Delirium getätigt, warfen einen furchtbaren Schatten auf die letzten Tage einer Ehe, die ursprünglich beiderseitig aus Liebe geschlossen worden war. Nach drei Tagen ließ das heftige Fieber zwar nach und Lady Catherine war in der Lage, ihr Testament zu diktieren, aber ihr Körper war ausgemergelt, und ihr Lebenslicht wurde von Tag zu Tag schwächer. Sie starb am Morgen des 5. September in den Armen ihres Mannes, mit dem sie sich in den letzten Minuten ihres Lebens ausgesöhnt hatte.
Bei der Trauerfeier fungierte Lady Jane Grey als Hauptleidtragende. Lord Seymour blieb der Beisetzung fern, seine Trauer war zu schmerzhaft, als dass er sein Zimmer verlassen konnte. Die sterblichen Überreste von Catherine wurden in der an Sudeley Castle grenzenden Kirche St. Mary beigesetzt. Miles Coverdale, der Almosenmeister von Sudeley, hielt die Predigt, und Antonia, die sich im Hintergrund der Kirche hielt, verbarg nicht ihre Tränen. Aufrecht und mit versteinertem Gesicht stand Jane neben dem Sarg, der die einzige Frau, die ihr jemals Liebe entgegengebracht hatte, nun für immer in sich einschloss. Ihr Schock, dass Catherine so unerwartet von ihnen gegangen war, saß noch zu tief, als dass sie hätte weinen können. Dieser Zustand löste sich bei Jane erst eine Woche später, als sie von ihren Eltern einen Brief erhielt, der sie aufforderte, sofort nach Bradgate Park zurückzukehren.
»Es ist nicht möglich, dich in der Obhut eines Witwers zu lassen, der zudem dafür bekannt ist, dass er seine Augen auf junge Mädchen wirft …«, schrieb Lady Suffolk, Janes Mutter, offen und ehrlich.
Verzweifelt reichte Jane das Schriftstück Antonia.
»Was soll ich tun? Mir bleibt keine andere Möglichkeit, als mich dem Willen meiner Eltern zu fügen. Ich weiß, es ist furchtbar, so etwas zu sagen, aber ich sehne mich nicht nach Hause.«
»Du könntest Elizabeth bitten, dass sie dich aufnimmt«, wagte Antonia vorzuschlagen. Sie selbst war ebenfalls voller Kummer und Ungewissheit. Lord Seymour hatte ihr nie sonderliche Aufmerksamkeit gezollt. Wenn Jane Sudeley verließ, was würde dann mit ihr geschehen? Antonia kamen die Worte ihres Vaters in den Sinn, der gesagt hatte, eines Tages würden der Einfluss und die Macht von Lady Catherine nicht mehr gelten. Nun war es so weit gekommen, und ihr würde keine andere Wahl bleiben, als ihrem Vater zu schreiben und um Aufnahme in seinem Haus zu bitten.
Als hätte Jane Antonias trübe Gedanken gelesen, legte sie den Arm um ihre Schultern. »Mit Elizabeth verbindet mich keine große Freundschaft. Nein, ich werde wohl nach Hause gehen, aber du kommst mit mir! Das heißt, wenn du keine anderen Pläne hast …«
Am liebsten hätte Antonia das Mädchen umarmt und geherzt, so glücklich war sie über den Vorschlag. Da sie aber wusste, dass Jane überschwängliche Gefühlsausbrüche nicht sonderlich schätzte, verriet einzig das Leuchten in ihren Augen ihre Freude.
»Ich komme gerne mit dir. Aber was werden deine Eltern dazu sagen? Werden sie mich in Bradgate Park willkommen heißen?«
Trotzig zog Jane die Mundwinkel nach unten. »Sie werden meinen Wunsch nicht abschlagen, denn sonst schreibe ich an den König und bitte ihn, mich in Whitehall aufzunehmen. Wenngleich ich mich vor dem Hof und all den Leuten, die dort ein-und ausgehen, fürchte. Mit Ausnahme von Edward natürlich, aber es wäre allemal besser, als allein in Bradgate zu sein.«
Noch am gleichen Tag schrieb Jane ihrer Mutter, und der Bote brach sogleich auf.
Zwei Wochen später reiste Frances Grey, die Herzogin von Suffolk, persönlich nach Sudeley Castle, um ihre Tochter aus den Klauen des Weiberhelden Thomas Seymour zu befreien. Dass das ihr völlig fremde und unbedeutende Mädchen Antonia Fenton als Begleiterin von Jane mit nach Bradgate Park reiste, nahm sie mit einem säuerlichen Lächeln, aber sonst mit völliger Gleichgültigkeit zur Kenntnis. Sie ließ Jane ihren Willen, denn sie und ihr Mann hatten Pläne mit ihrer Tochter. Ehrgeizige Pläne, bei denen ein mittelloses, hageres und unattraktives Mädchen wie diese
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