Königliche Republik (German Edition)
ihrem Milchtopf scheppern; dann rührte sie mit leisem Kratzen
um. Ihr eigenes Rezept; Mirella schmunzelte. Der Geruch des kochenden
Kakaos verbreitete sich in der Stube.
„Du
hast dich lange nicht sehen lassen“ wiederholte Cristina. „Ich
habe mir Sorgen gemacht.“ Sie stellte den Topf an den Rand des
Herds und brachte Tassen und die Zuckerschale. „Dabei dachte
ich anfangs, dieser Franzose ...“
Um
ihre Verlegenheit angesichts der Erwähnung von Alexandre zu
überspielen, nahm Mirella ihr die Tassen aus der Hand und holte
die Löffel aus der Schublade des Schranks.
„Du
hast es dir gemerkt.“ Cristinas Stimme klang nach einem
Lächeln, aber Mirella wagte noch nicht, sich umzudrehen.
„Ich
dachte, er glaubt mir; aber dann ... Und als du nicht wiedergekommen
bist ...“
Mirella
legte die Löffel auf den Tisch. „Es war gefährlich,
sich durch die Stadt zu bewegen. Und vielleicht noch gefährlicher,
mich hier sehen zu lassen.“
„Und
warum bist du nun gekommen? Weil die Franzosen bald nichts mehr zu
sagen haben?“
„Nein.“
Mirella zögerte nun doch. „Der Wirt ...“ Sie wusste
nicht recht, wie sie weitermachen sollte. „Der Wirt ist noch
gefährlicher als die Kanonen der Spanier. Aber ich kann es nicht
beweisen.“
„So
bist du doch in Gefahr?“
Fast
automatisch schüttelte sie den Kopf. „Vielleicht ... Der
französische Offizier galt selbst als Verräter, weil er
mich hat laufen lassen.“
Cristina
holte den Topf vom Herd. Während sie sich unterhalten hatten,
hatte sich auf dem Kakao schon eine dünne Haut gebildet. Mirella
spannte sich, um sich nicht vor Widerwillen zu schütteln.
Mit
einem der Löffel schob Cristina die Haut zusammen und hob sie
hoch. „Die süße Schicht!“ Sie streifte den
Löffel in Mirellas Tasse ab, bevor sie protestieren konnte. Dann
stellte sie den Topf zurück und setzte sich zu ihr. Mit dem
Löffel deutete sie zum Fenster. „Was hast du eben gesagt?
Der Wirt ... ja ... Eines Tages wird er noch die ganze Straße
in die Luft sprengen.“
Mirella
stand automatisch auf und ging ans Fenster. „Wie denn?“
Cristina
sah auf die Uhr über dem Kamin. „Wenn du noch eine halbe
Stunde bleibst, wirst du es sehen. – Aber schick deinen
Kutscher fort.“ Sie wedelte mit der Hand. „Ach nein,
bleib hier. Besser, es sieht dich keiner.“
Mirella
lächelte. „Ich bleibe gerne noch eine Weile bei Ihr.“
Cristinas Bemerkung über den Wirt klang vielversprechend. Zudem
war es immer noch eine gute Ausrede für Zuhause, dass die
Spanier im Dunkeln ihren Beschuss einstellten. „Aber ich
verstehe nicht ...“
„Erzähl
mir von dem jungen Offizier. “
Mirella
stieg die Hitze ins Gesicht. „Ich kenne ihn seit dem Tag der
Krönung. Meine Freundin Stefania und ich – wir haben oft
mit den Männern de Guises Billard gespielt.“
„Billard
– was ist das?“
„Man
spielt mit kleinen Bällen auf einem Tisch.“
„Mit
kleinen Bällen – erwachsene Männer?“
Mirella
lachte lauthals; so hatte sie es noch nie betrachtet. „Man
braucht eine ruhige Hand, Augenmaß und muss Geometrie
beherrschen.“
„Und
das kannst du alles?“ Cristina bekam plötzlich einen
sehnsüchtigen Ausdruck in ihre Augen. „Was ihr Mädchen
heute alles lernt.“
Zum
ersten Mal fragte sie sich, wer Cristina überhaupt war. Diese
Frau hatte uneingeschränkt auf ihrer Seite gestanden und noch
immer wusste sie nicht mehr von ihr als den Namen. „Die
Klosterschule gab es schon früher.“
„Aber
sie haben nur Adlige aufgenommen.“ Sie räumte mit heftigen
Bewegungen den Tisch ab. „Heute reicht es, wenn eine Familie
Geld hat.“
„Das
hat früher auch gereicht,“ entfuhr es Mirella. „Man
kann sich den Titel doch kaufen, wenn man ihn denn braucht.“
Cristina
stützte sich auf den Tisch und musterte sie. „Aber dein
Vater hat das nicht getan. Warum?“
„Ich
glaube ...“
„Ein
guter Bürger steht nicht auf Seiten der Barone, die das Landvolk
ausplündern.“
Mirella
zuckte die Achseln; in Wahrheit hatte sie noch nie darüber
nachgedacht. „Es geht uns gut. Wozu braucht er einen
Adelstitel?“ Wozu brauchte dann sie einen? Warum hatten die
Eltern sie in ihrer Wahl bestärkt? Ursprünglich – vor
dem Aufstand.
„Er
öffnet manche Tür.“
„Muss
man jede Tür öffnen können, die es gibt?“
Cristina
strich ihr übers Haar. „Du bist ein kluges Kind! Manche
Tür bleibt besser zu; ist bloß Unrat dahinter.“
Mirella
griff nach Cristinas Hand und drückte sie
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