Königliche Republik (German Edition)
Gespannleinen. Während er die
Straße überquerte, ging Cristina die Haustür öffnen.
Mirella schloss das Fenster und schob einen Stuhl direkt an den
Kamin. Wenn er sich am Feuer trocknete, würde sie daneben
sitzen.
Cristina
stützte sich zu Mirellas Verwunderung auf die Schulter des
Jungen und ächzte leise. „Ich werde auch nicht jünger.
Diese Stufen ...“ Sie nahm ihre Hand weg und lehnte sich gegen
die Kommode neben der Tür. „Setz dich nur. In der Wohnung
komme ich zurecht.“
Sie
schlurfte zum Herd, während er sich neugierig umsah.
Mirella
nickte ihm zu. „Ich bin Mirella.“
„Giovanni.“
Er trat ans Feuer, dann wandte er sich halb zum Fenster.
Mirella
lächelte breiter. „Hat Er Angst um die alten Fässer?
Wen sollten die interessieren?“
„Ich
will keinen Ärger.“ Er sah sie noch einen Augenblick an,
ging dann zum Fenster und schob den Vorhang beiseite.
Mirella
ging dicht an ihm vorbei, um Tasse und Löffel aus dem Schrank zu
holen. Seine Finger öffneten und schlossen sich nervös um
den Vorhangstoff.
Sie
stellte die Tasse auf den Tisch, setzte sich wieder und rückte
ihren Rock zurecht, um ihre Schuhspitzen zu bedecken. Sein Blick
blieb am Saum hängen. Sie sah auf und lächelte ihn an. Sein
Gesicht war sehr glatt; gewiss war er jünger noch als Cesare. Ob
er trotzdem schon für ihre Reize empfänglich wäre? Sie
zog das breite Schultertuch fester, sodass sich ihre Brüste
deutlich darunter abzeichneten.
Cristina
kam mit dem Topf. Sie schlurfte immer noch; stützte sich an der
Türschwelle sogar kurz gegen den Rahmen ab. Sie hatte sich etwas
ausgedacht, um Giovanni zum Reden zu bringen.
„Der Gallo bianco hat offensichtlich einen neuen Lieferanten.“
Sie schenkte ihm ein. „Woher kommt er?“
„Ich?“
Er guckte ein wenig verwirrt.
„Euer
Wein.“ Sie kniff die Augen zusammen. „Ich kann die
Schrift auf den Fässern nicht lesen; meine Augen haben
nachgelassen in den letzten Jahren.“
Giovanni
nickte. „Das kenne ich; Vater sieht kaum noch genug, um die
Reben zu schneiden. Schlimm.“ Er setzte sich endlich hin, hielt
aber weiterhin den Blick auf das Fenster gerichtet. Dabei konnte er
vom Tisch aus allenfalls den Kopf seines Pferdes sehen.
„Das
könnte ich wohl noch. Aber das Weinfeld unserer Familie ist beim
letzten Ausbruch unter der Lava begraben worden.“
Giovanni
bekam große Augen. „Man hat euch keinen Ersatz gegeben?“
Sie
zuckte die Achseln. „Wer sollte das tun?“
„Unser
Herr hat alle Pächter neue Felder anlegen lassen!“
„Großvater
war ein freier Bauer.“ Stolz klang plötzlich in Cristinas
Stimme. So hatte sie sehr genau gesehen, woher die Fässer kamen.
Mirella amüsierte sich über die Provokation und war
gespannt, was sie bewirkte.
Der
Junge schnaubte. „Wir Pächter sind keine Unfreien.“
„Aber
die Schulden binden euch an den Grundherrn,“ warf Mirella ein.
„Was
weiß Sie davon?“
„Ich
kann rechnen!“ Mirella reckte den Kopf.
Giovanni
wurde rot. „Das wollte ich nicht anzweifeln. Aber Sie
ist doch Städterin.“ Sein Blick ging zum Fenster zurück.
„Freilich.“
Als
er eine Bewegung zum Aufstehen machte, hielt Cristina ihn fest. „Dies
ist eine ehrbare Straße. Hier klaut niemand leere Fässer.“
„Sie
sind nicht leer!“
Wie
gut, dass Giovanni nicht Cristinas Gesicht hinter sich sehen konnte.
„Tante, das ist sogar mir aufgefallen! Wer weiß, wer es
noch beobachtet hat.“ Sie wandte sich an Giovanni. „Aber
was ist denn da drin?“
Giovanni
wurde schon wieder rot. „Verzeiht, aber ...“
Sie
lehnte sich zurück. „Natürlich, es geht mich nichts
an.“ Sie legte einen schnippischen Tonfall in ihre Stimme. „Mir
fiel nur auf, welche Mühe Er hatte, sie aufzuladen.“
„Sie
verzeih mir, ich wollte nicht unhöflich sein ...“
Er
klang sehr kleinlaut; die Alte klopfte ihm auf die Schulter. „Schon
gut, mein Junge. – Noch eine Schokolade?“ Sie goss ihm
nach; dann schüttete sie den Rest in Mirellas Tasse. „Wir
wollen dich nicht in Verlegenheit bringen.“
„Die
Frage ist mir von alleine über die Lippen gekommen.“
Mirella schürzte sie und ließ dann einen Mundwinkel
lächeln. „Meine Neugier ...“
Cristina
tätschelte ihm die Wange. Mirella senkte schnell den Kopf über
ihre Tasse, um ihr Grinsen zu verbergen. „Grüß Er
seinen Vater; vielleicht erinnert er sich noch an den Morandi und
seine rothaarige Enkelin.“ Sie ließ ihn los. „Das
war nämlich ich!“
Der
Junge zog die
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