Königliche Republik (German Edition)
gegen das
Geländer. Sie fror schon wieder; zitternd drückte sie den
Krug mit dem kläglichen Rest heißen Wassers an sich und
starrte auf die Zimmertür, die fünf Schritte entfernt war.
Fünf Schritte, die plötzlich endlos weit waren.
Sie
betrachtete den Krug; mit dem bisschen Wasser konnte sie nichts
anfangen. Sie stellte ihn auf die oberste Stufe; dann taumelte sie
über den Gang.
Sie
stürzte mit der Tür ins Zimmer und warf sich aufs Bett. Die
Zimmertür fiel geräuschvoll ins Schloss; aber das war ihr
nun egal.
Mirella
schob sich das Kopfkissen auf den Rücken, aber da es nicht recht
wärmte, zerrte sie die Bettdecke auch noch halb über sich.
Fabrizio hatte das Feuer ausgehen lassen – wieder einmal. Er
war entschieden zu sparsam. Konnten sie nicht immer noch Holz
schlagen lassen in den Wäldern von Stefanias Vater, so viel sie
brauchten?
Sie
nieste und ein Kälteschauer lief ihr über den Rücken.
Vielleicht
war das Wasser doch noch genug. Sie rutschte aus dem Bett und kroch
hinaus, um den Krug von der Treppe zu holen. Dann stellte sie die
Waschschüssel vors Bett und ihre Füße hinein. Langsam
goss sie das mittlerweile nur noch handwarme Wasser darüber.
Besser als gar nichts; immerhin spürte sie ihre Füße
wieder. Sie beugte sich vor und wärmte auch ihre Hände
darin.
Das
Wasser kühlte ab, aber sie konnte sich nicht entschließen,
irgendeine Bewegung zu machen.
Ohne
anzuklopfen, betrat Dario ihr Zimmer. „Mirella, wo warst du?“
Er trat auf sie zu und hob ihren Kopf. „ Madre
de Dio ! Wie siehst du aus!“
„Gib
mir ein Handtuch!“
Dario
nahm eines aus der Schublade des Waschtischs, bückte sich und
rieb ihre Füße trocken. Mirella schloss die Augen und
genoss die Fürsorge. Vielleicht würde doch noch alles gut.
„Dario,
was habt ihr vor?“
Er
hörte auf, den linken Fuß abzurubbeln und sah auf. „Wovon
sprichst du?“
„Von
dem Pulver in den Katakomben unter der San Giorgio Maggiore .“
Dario
versteinerte. „Was erzählst du da?“ Aber er fing
sich schnell. „Du fantasierst! Es gibt keinen Zugang zu den
Katakomben dort.“
Sie
packte ihn. „Dario, hör auf! Belüg mich nicht! Ich
habe die Fässer gesehen!“
„Und
nun glaubst du an eine Verschwörung?“
„Wie
würdest du es nennen?“ Sie zerrte an ihm. „Dario,
das ist Verrat! Man wird euch alle hinrichten!“
Langsam
nickte er. „Sofern der Doge davon erfährt. Und die
Verschwörer kennt. Er wird es nicht erfahren, wenn du den Mund
hältst.“
„Du
hast ihm selber schon einen Namen genannt.“
Er
schüttelte den Kopf. „Der Marchese gehört nicht
dazu.“
„Wie
kannst du erwarten, dass ich schweige, wenn ihr einen Mord plant? Gar
einen Massenmord, wenn ihr die Kirche zum Einsturz bringt.“
„Mord
– das ist dieser Krieg. Jeden Tag sterben Dutzende Frauen und
Kinder in unseren Straßen.“
„So
meint ihr, es sei gleich? Neapolitaner töten
Neapolitaner.“
Er
nahm ihre Hand von seinem Arm und hielt sie dann mit beiden Händen
fest. „Hast du nicht gehört, was man mir den anderen Tag
versprochen hat? Es werden keine Neapolitaner sterben – außer
dem Kardinal vielleicht, der ein Verräter ist.“
„Und
das glaubst du ihnen?“ Der Zorn gab ihr Kraft; sie sprang auf.
Plötzlich drehte sich das Zimmer. Keuchend atmete sie aus.
Dario
fing sie auf.
„Dario,
du musst sie aufhalten!“ Das Blut rauschte in ihren Ohren.
Er
legte sie behutsam aufs Bett und deckte sie zu. „Du hast dich
erkältet, Mirella. Und hast nicht geschlafen.“
Sie
versuchte die Augen offen zu halten, aber ihre Lider waren zu schwer.
Sie würde nie wieder ausgeschlafen sein. „Dario ...“
Auch ihre Lippen waren zu schwer, um sie noch einmal zu öffnen.
Samstag, 28. März 1648
Es
war dunkel, als Mirella wieder erwachte. Die Öllampe neben dem
Bett brannte. Rita saß auf der Bettkante, für einmal ohne
Handarbeit zwischen den Fingern.
Im
Kamin loderte ein großes Feuer und Mirella klebte das
durchgeschwitzte Nachthemd unter den Achseln fest. „Was?“
Sie stützte sich auf die Ellenbogen, aber sie war zu schwach, um
sich aufzurichten.
„Bleib
liegen, Kind. Eine Lungenentzündung ist eine ernste Sache. Du
könntest dir den Tod holen.“
Den
könnte sie sich auf ganz andere Weise als durch eine
Lungenentzündung holen. Wenn sie nun zufällig dort wäre,
wo das Attentat geplant war? Oder wie bei Varese eine spanische Kugel
ins Haus einschlüge? „Ich bin nicht krank, Mamma.“
Sie erinnerte sich nicht, wann sie sich
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