Königliche Republik (German Edition)
klirrte
gegeneinander. Mirella zog ihre Kapuze tiefer ins Gesicht, als ob sie
sich dadurch schützen könnte. Ihnen voraus ertönte ein
Pfeifen; dann schlug eine Kanonenkugel in ein Haus und riss zwischen
zwei Fenstern eine große Bresche.
Wenn
der Rückweg nicht ebenso gefährlich wäre wie der Weg
vor ihnen, hätte sie Fabrizio in diesem Augenblick befohlen
umzukehren. Am Ende gäbe es noch keine Antwort auf Darios Brief
und sie brachte sich und Fabrizio ganz unnütz in Gefahr. Aber
nun war es wohl besser, im Gallo bianco die Nacht
abzuwarten. Mirella faltete die Hände und begann, aus tiefstem
Herzen die Madonna um ihren Schutz anzuflehen.
Nachdem
sie die nächste Kreuzung überquert hatten, stieg Fabrizio
wieder auf den Bock und ließ die Pferde schneller laufen. Es
ging bergan und über eine längere Strecke lagen die
umkämpften Stadtteile gut sichtbar unter ihnen.
In
Avvocata loderte ein Feuer; an mehreren Stellen unweit der Piazza del
Mercato qualmte es. Aber Rauch stieg auch von zwei der spanischen
Schiffen auf, die in der Bucht ankerten. Vor der Einfahrt hatten de
Guises Kanoniere eine Reihe von Geschützen aufgebaut. Sie
schienen zielsicherer als die Spanier, denen es nicht gelang, den
Turm von Annese zu treffen oder die Aufständischen aus ihren
Stellungen vor dem Castelnuovo zu vertreiben, wo der Vizekönig
residierte.
Mirella
streckte vorsichtig den Kopf aus dem Fenster; der Weg vor ihnen
schien frei zu sein. Fabrizio ließ die Pferde antraben.
Plötzlich
vervielfachte sich der Hall des Hufschlags; Fabrizio lenkte die
Kutsche an den Straßenrand und parierte die Pferde. Ein Trupp
spanischer Soldaten galoppierte an ihnen vorbei; ihnen hinterher eine
Schwadron von Anneses Miliz. Sie unterschieden sich noch immer von
den regulären Soldaten der Republik, da sie sich weigerten, die
Uniform de Guises zu tragen.
„Fahr
langsam weiter“, wies Mirella Fabrizio an. „Hier sind wir
nicht sicher.“ Welch ein Leichtsinn, dass sie in den
Botendienst für Dario eingewilligt hatte.
Fabrizio
fluchte lauthals und ließ die Peitsche knallen. Als die Straße
wieder eben wurde, ließ er die Pferde sogar galoppieren. Recht
hatte er, denn nun gab es keine schützenden Häuser mehr,
bevor sie das Tor zum Pizzofalcone erreichten.
Pfeifend
flog eine Kanonenkugel über ihnen hinweg und schlug in die Mauer
des Friedhofs zur Heiligen Anna ein. Fabrizio musste die Pferde nicht
mehr antreiben; sie rannten freiwillig.
Mirella
wurde durchgeschüttelt; die Kutsche bog schwankend um die
nächste Ecke. Fabrizio schrie auf die Pferde ein und fluchte
lauthals. Entsetzt begriff sie, dass er sie nicht mehr unter
Kontrolle hatte.
Die
Kutsche holperte und geriet aus der Fahrspur. Schlingernd knallte sie
gegen eine Mauer. Der Rahmen des Seitenfensters splitterte und die
Scheibe zerbrach.
Mirella
wich zu spät zurück; Splitter stachen sie neben dem Rand
der Kapuze in die Schläfe. Automatisch fuhren ihre Hände
nach oben. Die linke griff in Glas und sie zog sie erschreckt zurück.
Blut sickerte aus den Spitzen zweier Finger.
Die
Kutsche schlingerte noch einmal, kam bedenklich nahe an die
Bordsteine, die den Abhang markierten. Mirella krallte die Finger in
die Sitzbank gegenüber, um sich festzuhalten. Dabei fasste sie
wieder in eine Scherbe, die sich tief in ihre Hand bohrte. Sie
stöhnte auf; aber es war mehr Schreck als Schmerz. Entschlossen
zog sie das Glas heraus.
Fabrizio
stieß einen warnenden Schrei aus, obwohl gewiss niemand das
Rattern der Räder und das Klappern der Hufe überhören
konnte. Sie überquerten eine Kreuzung; der Weg stieg wieder an.
Das mochte die Pferde bremsen, sofern die Kutsche vorher nicht
umstürzte. Aber die Pferde wurden nur wenig langsamer; es waren
kräftige Tiere. Wie lange würde es dauern, bis sie sich
erschöpft hatten?
Wieder
detonierte etwas in unmittelbarer Nähe; Fabrizio schrie erneut,
dieses Mal vor Entsetzen. Die Pferde rasten weiter bergan.
Der
Hufschlag eines galoppierenden Pferdes kam näher, übertönte
die ratternde Kutsche. Dann jagte ein Uniformierter auf einem Rappen
vorbei.
„ Tais-toi;
tais-toi! …” Einer
aus de Guises Gefolge.
Die
Kutschpferde schnaubten und wieherten, dann wurde die Kutsche
langsamer. Und hielt. Mirella schloss die Augen und lehnte sich
erschöpft zurück. Ihr Herz schlug so heftig, als wolle es
ihren Brustkorb sprengen.
„ Ça
va , Signore?”
Mirella
fuhr hoch. Alexandre!
Es
folgte eine unverständliche Antwort Fabrizios.
Sie
schob die
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