Königliche Republik (German Edition)
wohl das Geld aus, da
sich seine Männer keine neuen mehr kaufen konnten.
Alexandre
packte sie unter dem Kinn und zwang sie, ihn anzusehen. Einen Moment
lang musterte er sie. „Was für eine Tante?“
Mirella
stiegen Tränen in den Augen. Gott helfe ihr, dass sie ihn schon
wieder belog. „Gegenüber; sie wohnt gegenüber in dem
Haus.“
Vom
Wirt kam ein undefinierbarer Laut. Wenn sie diese Frau falsch
eingeschätzt hatte, war sie jetzt genauso verloren wie Dario.
Alexandres
Griff wurde einen Moment lang härter; aber dann ließ er
sie los und wandte sich an den Wirt. „Sie hat keine Tante, sagt
Er? Wir werden sehen. Sie kommt mit.“ Er schob sie auf die
Straße hinaus und führte sie am Ellenbogen hinüber.
„Wo?“
Mirella
zitterte; sie ging zum Fenster, schloss die Augen und klopfte.
Dieses
Mal dauerte es länger. Mirella kam es wie eine Ewigkeit vor, bis
sich das Licht im Zimmer bewegte und Cristina das Fenster öffnete.
Sie beugte sich vor, sah erst irritiert von ihr zu Alexandre; dann
lächelte sie. „Du bist es? Was ist denn, Kind?”
„Kennt
Sie die Signorina?“
„Ja
sicher ...“ Cristina blickte schon wieder ein wenig verwirrt.
Gut. Alexandre mochte ruhig glauben, sie sei nicht ganz richtig im
Kopf. Trotzdem war es besser, sie käme möglichst wenig zu
Wort.
„Tante,
der Herr Offizier will wissen, was ich im Gallo bianco zu
suchen hatte.“
Cristina
runzelte die Stirn. „Im Gallo
bianco ? Was solltest du dort
schon zu suchen haben?”
„Verzeih
Sie mir bitte ...“ Mirella schickte ein Gebet zur Madonna. „Ich
habe ihm gesagt, dass ich wegen Ihres Rotweins dort war.“
„Was?“
Alexandres
Griff wurde fester; sie würde nicht davonlaufen können.
„Ich
hatte das nicht sagen dürfen. Aber ...“ Mirellas
Schluchzen war nicht mehr gespielt. Scham und Angst würgten ihr
die Stimme ab.
Er
trat mit ihr einen Schritt näher ans Fenster. Das Licht aus dem
Zimmer beleuchtete sein finsteres Gesicht; Muskeln, die in Zorn
zuckten. Alexandre hatte begriffen, dass sie log. „Signora, ist
es wahr, dass Sie Ihre Nichte regelmäßig in den Gallo
bianco schickt?“
Cristina
zögerte mit der Antwort. Mirella starrte sie an, die Angst
schüttelte sie. Begreife doch, dass mein Leben von dir abhängt.
Würde man sie foltern wie Dario?
Cristinas
Augen blitzten einen Moment wie im Zorn auf. „Aber Kind! Wie
konntest du das sagen? – Das war nicht recht von dir.“
Sie
machte ihre Sache gut; Mirella war plötzlich voller Bewunderung.
Diese Frau war gerissen. Und sie stand auf ihrer Seite. Sie
entspannte sich und atmete langsam aus.
Eine
Bewegung von Alexandre sagte ihr, dass er es gemerkt hatte „Sie
hat meine Frage nicht beantwortet“, stieß er zwischen den
Zähnen hervor.
„Ja“,
sagte Cristina daraufhin schlicht und knapp. So machte man das also.
Die Alte log kein bisschen und war trotzdem in der Lage, sie zu
schützen.
Alexandre
blickte Mirella an; dann ließ er sie los. In seinen Augen
brannte ein gefährliches Licht. „Warum hat der Wirt
behauptet, er habe den Brief des Duca di Sarno für Sie
aufbewahrt?“
„Frag
Er doch den Wirt!“ Mirella reckte das Kinn; es war Zeit
aufzutrumpfen.
„Sie
kann versichert sein, dass wir das getan haben.“ Die Verachtung
in seiner Stimme traf sie noch härter als sein Zorn zuvor. Er
glaubte ihr nicht. Doch er hatte nichts als die Denunziation des
Wirts.
Alexandre
hatte geschworen, den Dogen und die Republik zu schützen. Aber
es war doch ihre Republik, nicht seine! Würde er zulassen, dass
man sie folterte, damit sie gestand und die Namen der Verschwörer
preisgab? Ihre Knie gaben nach; jetzt wäre sie froh, hätte
er sie noch fest in seinem Griff.
Im
nächsten Moment hielt er sie in den Armen; ihr Gesicht lag an
seiner Schulter. Sein langes Haar kitzelte sie an der Stirn und der
Geruch von Seife stieg ihr in die Nase: Er wusch sich mit Marseiller
Seife. Als Soldat!
Seine
zornigen Augen waren dicht über ihr. „Sie kommt mit mir.“
„Wo
bringt Er sie hin?“ Empörung lag in Cristinas Stimme.
Alexandre
blickte hoch zu ihr. „Die Signorina wird gewiss ihren Kutscher
hier irgendwo warten lassen.“
Mirella
wagte nicht, sich zu wehren, als er sie zu seinem Pferd führte,
das im Hof neben der Trattoria stand. Aber plötzlich wurde ihr
bewusst, dass der Wirt sie beim Namen genannt hatte. Alexandre hatte
von Anfang an gewusst, dass sie es war, auf die er wartete.
So
hatte er ihr eine Falle gestellt. Zorn stieg in ihr hoch;
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