Königreich der Angst: Aus dem Leben des letzten amerikanischen Rebellen (German Edition)
Instinkte, und ich feuerte eine Ladung Rasierschaum in die Tasche. Das führte zwar zu einer Sauerei, nützte aber nicht das Geringste. Die Ecke Hasch ragte aus dem Schaum hervor wie ein schwarzer Eisberg. Ich schnappte sie mir und versuchte, sie platt zu machen, bevor ich sie schließlich in meine Jackentasche schob und mir alle Mühe gab, nicht mehr an sie zu denken.
Als ich wieder auf meinem Platz saß, sagte ich Heidi nichts von dem Haschisch, weil ich Angst hatte, dass sie total die Fassung verlieren würde. (Ich hatte geschworen, clean zu bleiben,
und sie hatte mir vertraut …) Und ich sagte auch nichts zu Michael Halsband, unserem Fremdenführer und Privatfotografen aus New York, der in letzter Minute auf diese Reise mitgeschickt worden war.
Er war mir total fremd, und von Anfang an war ich misstrauisch, was ihn betraf, aber er gesellte sich trotzdem in Cancun zu uns und saugte sich fest wie ein Blutegel … zu der Zeit ahnte ich noch nicht, dass er während der gesamten Reise bei mir bleiben würde. Er war ein kleiner Mann mit dunklem Teint, trug ein Seersucker-Jackett und grinste wie ein behämmerter Surfer.
Er stellte sich als berühmter Rock ’n’ Roll-Fotograf vor und versuchte gleich darauf, mir eine gebrauchte Rolleiflex zu verkaufen. Er komme selbst für seine Spesen auf, sagte er, und er hatte uns Empfehlungsschreiben und Passierscheine von der kubanischen Regierung und dem angesehenen Ludwig-Institut besorgt – wir sollten schon sehr bald auf diese Leute angewiesen sein.
Als sich unser Flugzeug Havanna näherte, sah ich jedenfalls keinen Grund, ihn nervös zu machen, indem ich ihm erzählte, dass ich unerklärlicher Weise im letzten Augenblick Schmuggelware in meiner Waschtasche gefunden hatte. Auf Kuba sind schon viele Leute im Gefängnis gelandet, weil sie den Bullen solche Geschichten erzählt haben. Also schnallte ich mich an und bereitete mich in Gedanken auf das Spießrutenlaufen durch ein Spalier von Militärpolizisten vor.
Gleich als die Tür aufging, standen sie in der Fluggastbrücke, mit sowjetischen Maschinenpistolen und wütenden Hunden an der Leine. »Wir haben nichts zu befürchten«, sagte ich zu Heidi. »Wir kommen in eine Kriegszone. Achte gar nicht auf die Freaks da. Die werden uns nicht belästigen. Wir sind unschuldig. Folge einfach nur Halsband und tu genau das, was er tut.«
Unsere Mitpassagiere verstummten, als man uns alle zur Tür hinaus und in einen weiß gekachelten langen Flur ohne Ausgänge trieb. Schließlich kamen wir am Immigración-Schalter
an, und mir fiel auf, dass Männer in schwarzen Anzügen immer mal wieder jemanden aus der Schlange zerrten … Halsband gehörte dazu. Das mit ansehen zu müssen, versetzte mich in Panik, aber ich versuchte ruhig zu bleiben, grinste ausdruckslos in die Gegend und tat so, als sei alles ganz normal. Andere Passagiere in der Warteschlange verhielten sich genauso; niemand wollte etwas Ungewöhnliches wahrgenommen haben. Teufel auch! Auf sämtlichen Flughäfen dieser Welt zerrt die Polizei tagtäglich irgendwelche Leute aus der Warteschlange – und wir reisten schließlich in eine der wenigen noch kommunistisch regierten Nationen der Erde ein.
Heidi war als Nächste dran, und sie wurde ebenfalls zum Verhör aus der Schlange geholt. Ich konnte sehen, dass Halsband seine Taschen leerte und die Cops vollsülzte, während sie ihn durchsuchten.
Wir wurden voneinander getrennt und in verschiedene Richtungen weggeführt. Kubanische Sicherheitsmaßnahmen haben einen hohen Standard, heißt es. Wir wurden einzeln durchsucht, befragt und dann in das Getümmel von verunsicherten Passagieren entlassen.
In dieser Situation fasste ich den Entschluss, mich aus der Menge abzusondern und zu fliehen, aber ich wusste nicht, wohin. Alle Fluchtwege waren von Cops mit Hunden verstellt, und unser Gepäck war nirgends zu sehen. Ich sah mich in aller Eile um und stellte fest, dass der einzige Ort, wo man sich als kranker Mann hinsetzen und ausruhen konnte, ein düster wirkender abgeteilter Bereich war, in dem die Cops Verdächtige verhörten, zu denen auch der Mann gehörte, der im Flugzeug neben mir gesessen hatte.
Und genau dorthin ging ich. In Notsituationen auf Flughäfen gilt eine unumstößliche Verhaltensregel: Wenn du schuldig bist, gehe stets auf die Polizei zu und renne nie vor ihr weg.
Die Cops beäugten mich argwöhnisch, als ich mich zwischen sie setzte, aber sagten nichts. Na ja, dachte ich, das war’s dann
wohl. Ich nahm
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