Königreich der Angst: Aus dem Leben des letzten amerikanischen Rebellen (German Edition)
angebracht, mit anderen Passagieren einen Streit wegen Geld vom Zaun zu brechen.
Schließlich sah sie mich an und lächelte. »Kein Problem«, sagte sie. »Wir können Ihre Dollars nicht akzeptieren. Das gesamte Verpflegungsangebot auf diesem Flug ist kostenlos.«
Andere Passagiere sahen inzwischen zu uns hinüber, aber sie lachte nur und tat die Situation mit einem Achselzucken ab. »Keine Sorge«, sagte sie. »Der Herr hat Sie missverstanden. Er dachte, Sie wollten ihm Geld geben.«
»Aber nein«, sagte ich schnell. »Natürlich nicht. Ich habe von dem Sandwich gesprochen. Geld ist für mich kein Problem. Ich habe nämlich keins. Ich bin Kulturbotschafter.«
Damit offenkundig zufrieden, ging sie davon. Ich hatte detaillierte Anweisungen erhalten, wie ich mich auf Kuba präsentieren sollte, und war mit Leumundszeugnissen, Empfehlungsschreiben und Beglaubigungspapieren bis an die Zähne bewaffnet. »Sie sind da unten sehr berühmt«, hatte mir der Botschafter am Telefon gesagt. »Ihr Film über Las Vegas ist kürzlich auf dem kubanischen
Filmfestival gut angekommen, und solange Sie keine Drogen mitnehmen, werden Sie Diplomatenstatus genießen, was sehr hilfreich sein dürfte.«
»Keine Sorge«, versicherte ich ihm. »Der Film war reine Hollywood-Propaganda. Ich habe mit Drogen nichts mehr am Hut. Das Zeug habe ich schon lange aufgegeben.«
»Sehr gut«, sagte er. »Ein Kulturbotschafter genießt heutzutage auf Kuba viele Privilegien, aber Drogensüchtige werden gejagt, zusammengetrieben und ins Gefängnis geworfen – manchmal lebenslänglich, und wir könnten Ihnen absolut nicht helfen.«
Ich dachte an diese Unterhaltung, als sich unsere Maschine der kubanischen Küste näherte, war aber nicht im Geringsten besorgt. Diesmal reiste ich ganz offiziell und wusste, dass ich nichts zu befürchten hatte. Seelenruhig lehnte ich mich zurück. Ich freute mich auf ein paar ausgiebige Sauftouren, denn Alkoholgenuss ist auf Kuba ein noch immer akzeptiertes Laster. Ich erwog sogar, den Vertrieb von Absinth auf der Insel zu übernehmen, aber das befand sich noch in der Planungsphase, und ich hatte es nicht eilig.
Auf Kuba würde ich ziemlich beschäftigt sein. Mein Terminkalender war bereits randvoll mit kulturellen Verpflichtungen: Abendessen mit dem Botschafter, Lunch mit dem Kultusminister, Bücher signieren im Filminstitut, die Choreographie des Wasserballetts am Hotel Nacional bewerten, mit dem alten Mann des Meeres Marlin fischen … Die Liste war lang, und ich suchte bereits nach Möglichkeiten, sie zu kürzen, um Zeit für meine nicht offiziellen Betätigungen zu finden, die nicht minder wichtig waren und wahrscheinlich mit sich bringen würden, Menschen kennen zu lernen, die kürzlich bei der Regierung in Ungnade gefallen waren, und zwar im Zuge des scharfen Durchgreifens, das Anfang 1999 durch Castros gnadenlose Anprangerung aller Zuhälter und Päderasten und Kollaborateure eingeleitet worden war.
Außerdem war da noch Johnny Depps Ankunft in drei Tagen,
die in kulturbeflissenen Kreisen gewisse Aufmerksamkeit erregen würde, und mir war sonnenklar, dass wir uns in der Öffentlichkeit ordentlich aufführen mussten. Wir brauchten das Einverständnis der Regierung, um unseren Film in Havanna zu drehen. Auf keinen Fall war es angebracht, wegen irgendwelcher kriminellen Machenschaften ins Gerede zu kommen.
Als die Lichter der Stadt vor uns auftauchten und die Stewardess verkündete, es sei Zeit, die Sitzgurte wieder anzulegen, packte mich die Nervosität, und ich beschloss, vor der Landung noch einmal die Toilette aufzusuchen, um mich zu rasieren und die Zahnbürste zu schwingen. Es wurde gemurrt, als ich aufstand, aber ich hielt es für notwendig. Ein Botschafter sollte stets glatt rasiert sein und keine Alkoholfahne haben. Das ist eine Kardinalregel des Gewerbes.
Ich tastete in meinem Waschbeutel nach einem Rasierer und entdeckte dabei ein Piece Hasch, das sich hinter einem Stück Seife aus dem Four Seasons in New York versteckt hatte. Zweifellos musste es sich bereits seit vielen Monaten oder gar Jahren dort befunden haben, von niemandem bemerkt bis heute. Am liebsten hätte ich es ignoriert, aber schon der Anblick machte mich benommen und schwach. Der Rasierer fiel mir aus der Hand, und ich sackte gegen die dünne Blechwand. Die Stewardess hämmerte gegen die Tür, und ich spürte, wie die Maschine in den Sinkflug überging. Für einen Moment war ich vor Panik erstarrt, aber dann erwachten meine kriminellen
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