Königreich der Angst: Aus dem Leben des letzten amerikanischen Rebellen (German Edition)
bewegt oder den Barmixer in ein Gespräch über Bomben verwickelt.
Ich schlug in der Raucher-Lounge auf dem Miami International Airport die Zeit tot, als ich bemerkte, dass mir ein Mann von der anderen Seite des Raums zuwinkte. Das weckte augenblicklich meinen Argwohn. In meinem Gewerbe ist es kein gutes Zeichen, wenn man bemerkt, dass ein fremder Mann mitten unter den vielen Leuten auf dem Flughafen von Miami mit dem Finger auf einen zeigt. Für viele ist es das Letzte, was sie sehen, bevor sie von der Polizei ergriffen & im Schwitzkasten ins Gefängnis verschleppt werden. Mehr als einen Verdacht auf kriminelle Aktivitäten braucht es hier nicht, um jemanden einzusperren und dadurch seine Reisepläne erheblich durcheinander zu bringen … Auf einem Flughafen verhaftet zu werden ist übel, aber auf dem Flughafen von Miami verhaftet zu werden, ist der reine Albtraum.
Ich gab mir alle Mühe, den Mann nicht zu beachten, als ich ihn auf meinen Tisch zukommen sah. Bleib ruhig, dachte ich, vielleicht ist es nur ein Autogrammjäger … Dann spürte ich seine Hand auf meinem Arm, und heiser rief er meinen Namen. Ich erkannte die Stimme.
Es war mein alter Freund Rube, ein reicher Cop aus Oakland. Er sei auf dem Weg nach Kuba, sagte er, um Geschäfte zu machen und die Frau zu besuchen, die er heiraten wollte. »Ich habe mich schon vor langer Zeit in sie verliebt«, sagte er. Jetzt sei er endlich frei, um wieder heiraten zu können. Seine Frau daheim in Oakland hatte alle seine Vermögenswerte einfrieren lassen.
Ich wusste sofort, dass er sich aus dem Staub gemacht hatte. Trotz eines Anstrichs von Reichtum & seiner selbstsicheren Gelacktheit sah er aus wie ein Mann auf der Flucht.
Kuba ist für mich kein völlig neues Kapitel. Seit vierzig Jahren bin ich immer mal wieder dort, und von Zeit zu Zeit fühle ich mich der Insel sehr nahe – an manchen Tagen sogar zu nahe, und ich habe niemals vorgegeben, neutral oder leidenschaftslos zu sein, was Kuba betrifft. Als ich zwanzig war, beschwor ich die Redakteure des Louisville Courier-Journal , mich nach Kuba zu schicken, damit ich mich in den Bergen der Sierra Maestra Fidel Castro anschließen und Eilmeldungen über den Triumph der Revolution zurückschicken konnte. Ich war ein von der Sache Überzeugter – kein Marxist noch Kommunist oder irgend so ein stalinistischer Agrardilettant –, gleichzeitig war ich aber auch berufstätiger Journalist, und meine Redakteure waren nicht sonderlich erpicht darauf, für die Spesen aufzukommen, damit ich nach Kuba reisen konnte, um an Castros Seite in den Bergen zu kämpfen.
HAVANNA (CNN): 15. FEBRUAR 1999
Kuba gab Montag bekannt, hart durchgreifen zu wollen: Neue härtere Strafen seien vorgesehen sowohl für gewöhnliche Kriminelle wie für politische Gegner, die mit der US-Regierung »kollaborieren«. Die geplante Gesetzgebung, mithilfe derer die Anwendung der Todesstrafe ausgeweitet und die lebenslange Gefängnisstrafe eingeführt wird, geht zurück auf eine Rede, die Präsident Fidel Castro im vergangenen Monat hielt und in der er gelobte, härter gegen die wachsende Kriminalität auf der kommunistisch regierten Insel vorzugehen.
»Es gibt sogar verantwortungslose Familien, die die Körper ihrer Töchter verkaufen, und gefühlskalte Nachbarn, die das für die natürlichste Sache der Welt halten … Uns werden diejenigen nicht entkommen, die wie Parasiten leben wollen, um jeden Preis, ohne Rücksicht und außerhalb der Gesetze.«
Fidel Castro, 5. Januar 1999
Es ist ein Katzensprung von Cancun nach Havanna, sechsundsechzig Minuten im Jet über den Golf von Mexiko mit einer sowjetblonden Stewardess, die Rum gratis und synthetische Käse-Schinken-Sandwiches serviert. An den meisten Abenden ist es eine komplikationslose Reise, und unschuldige Personen haben nichts zu befürchten. Als sich unsere Maschine Havanna näherte, waren wir schon fast übermütig vor Freude. Heidi füllte unsere Visa-Formulare aus und ich radebrechte in gebrochenem Spanisch mit dem Mann neben mir, weil ich wissen wollte, wie viel ich wohl für das Essen bezahlen musste.
Er nickte mitfühlend und starrte seine Hände an, während ich an meiner Brieftasche herumfummelte. Dann drehte er sich zu mir und sagte bedächtig: »Ich spreche kein Englisch. Ich möchte keine amerikanischen Dollar.« Dann gab er der Stewardess ein Zeichen und redete in rasantem Spanisch auf sie ein. Ich lauschte nervös. Auf einem Flug nach Kuba ist es nicht gerade
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