Königreich der Angst: Aus dem Leben des letzten amerikanischen Rebellen (German Edition)
den Hut vom Kopf, klaubte die große schwarze Giftspinne ab und steckte mir eine Zigarette an.
Die Leute vom Ludwig-Institut warteten draußen, aber wir konnten nicht mit ihnen kommunizieren. Bis auf uns hatten alle anderen Passagiere den Flughafen bereits verlassen. Wir wurden demonstrativ festgehalten wie Menschen auf Devil’s Island, während sich die Soldaten meine Kevlargepäckstücke einzeln vornahmen, um sie zu durchwühlen. Heidi wurde unterdessen in die Röntgenkabine gebracht.
Das Gefühl, es könne echten Ärger geben, beschlich mich erst, als ich hörte, dass dort, wo die Einreisenden zwecks Durchsuchung festgehalten wurden, Glas splitterte. Den Lärm verursachte ein täuschend echt aussehender Gummihammer, der das Geräusch zerberstender Glasscheiben von sich gab, wenn man mit ihm auf irgendwas einschlug. Das war nicht gerade die Art Scherzartikel, die man normalerweise in ein kommunistisches Kriegsgebiet mitbringt.
Über die Schulter konnte ich sie sehen, aber ich gab mir alle Mühe, sie das nicht merken zu lassen. Die Soldaten probierten den Hammer aneinander aus, und schließlich lachte sogar einer von ihnen. Gott sei Dank, dachte ich, diese Leute haben zumindest Sinn für makabren Humor … Sie lachten auch über das Trickmesser mit der versenkbaren Klinge, das Heidi ihnen demonstrierte, indem sie es sich in die Brust rammte.
Ich war ziemlich mitgenommen von dem, was sich auf dem Flughafen abgespielt hatte, und unserem Empfangskomitee ging es kaum anders. Es waren Leute, die sich dem Kulturaustausch verschrieben hatten, hochrangige Vertreter des angesehenen Ludwig-Instituts, einer auf dem Kunstsektor engagierten deutschen Stiftung, die viele kubanische Austauschprogramme mit dem Ausland abwickelt. Die Leute dieses Instituts treten in Havanna recht gewichtig auf und sind es nicht gewohnt, dass man ihre Gäste am Flughafen festhält und deren Gepäck durchwühlt. Als unser Gepäck schließlich freigegeben wurde, hielt
sich niemand mehr im Ankunfts-Terminal auf außer uns und den Cops, und von denen hatte ich die meisten bereits kennen gelernt. Sie sahen uns verbissen nach, als wir in der Dunkelheit in Richtung Havanna davonfuhren. Ich hatte das dumme Gefühl, nicht das letzte Mal mit ihnen zu tun gehabt zu haben.
Unser Gastgeber, ein aufgeräumter Mann namens Helmo, war eifrig bemüht, uns das vergessen zu lassen, was er »die Unannehmlichkeiten auf dem Flughafen« nannte, und uns stattdessen »mit einem erfrischenden Lachen neu einzustimmen«. Halsband war noch immer leicht hysterisch wegen der Torturen beim Zoll, und Heidi hatte noch nicht aufgehört zu weinen. Ich versuchte, all das von mir abzuschütteln, indem ich große Schlucke aus einer Flasche Rum nahm.
Ich hatte mich mit dem Leben bereits wieder ein wenig ausgesöhnt, als wir schließlich unser Ziel erreichten und in die lange, von Palmen gesäumte Auffahrt des Hotel Nacional einbogen. Aus der Entfernung kam mir alles irgendwie bekannt vor, und ich hatte das komische Gefühl heimzukehren, aber ich wusste sehr wohl, dass es unmöglich war. Ich war noch nie in Havanna gewesen und hatte auch noch nie von dieser Stadt geträumt, aber ich war äußerst vertraut mit dem Hotel The Breakers in Palm Beach, und das Nacional sah genauso aus.
Aus der Entfernung. Doch wenn man erst mal drinnen ist, dann ist alles anders, ganz anders, aber es dauert eine Weile, bis man das geschnallt hat. An der Tür wurden wir von denselben todschicken Gepäckträgern empfangen, mit denen man es auch im The Breakers zu tun bekommt. Sobald man aus dem Auto steigt, wird man von derselben milden Brise umfächert, die man auch in Palm Beach genießt, dieser berauschenden Mischung aus salzhaltiger Luft und Liebeszauber und geheimnisvollem Versprechen. Sogar die weiträumige Lobby und die Fahrstühle und die Korridore sind exakt so wie im The Breakers. Der einzige Unterschied – zumindest anfangs – bestand darin, dass man uns unverzüglich zu einem gesonderten Fahrstuhl geleitete und direkt
in das superexklusive Heiligtum in der sechsten Etage brachte, wo man Suiten mit Meeresblick für uns hergerichtet hatte.
In Wahrheit habe ich The Breakers schon immer gehasst, und auch das Hotel Nacional werde ich ewig hassen – aber ich hasse eben vieles, was in Touristenprospekten hübsch aussieht. Ich steige aus beruflichen Gründen in Hotels ab, nicht um mich zu entspannen und meinen Spaß zu haben. Manchmal kommt es zwar dazu, aber darauf zählen kann man nicht. Wie
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