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Königreich der Angst: Aus dem Leben des letzten amerikanischen Rebellen (German Edition)

Königreich der Angst: Aus dem Leben des letzten amerikanischen Rebellen (German Edition)

Titel: Königreich der Angst: Aus dem Leben des letzten amerikanischen Rebellen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hunter S. Thompson
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ich es sehe, bleibt Business immer Business, und die einzigen Dinge, auf die es in Hotels wirklich ankommt, sind Diskretion, frische Austern und gute Telefone.
    Die Bar auf der Terrasse des Hotel Nacional war fast leer, als wir dort eintrafen. Ein einsamer Barmixer starrte uns an, sagte aber keinen Ton. Signierte Fotos amerikanischer Promis aus den vierziger und fünfziger Jahren bedeckten die Wände: schwarzweiße Hochglanzfotos von Stars wie Frank Sinatra, Errol Flynn und Ava Gardner und daneben auch politische Heroen wie Winston Churchill und Meyer Lansky. Eine Mischung, die einem ziemlich abstrus vorkommt, wenn man sie zu so später Stunde erblickt.
    In der menschenleeren Bar des Hotel Nacional hörte ich zum ersten Mal die Geschichte von Artie Diamond, einem bösartigen Zuchthäusler aus Sing Sing, der die gesamte Gefängnisbelegschaft in Angst versetzte, weil er einem Knastboss, der ihn eine Memme nannte, das Ohr abbiss. Es war eine Mike-Tyson-Story, in Zeitlupe erzählt von einem abgebrühten Kerl aus New York, der auf einer Undercard gegen Tyson um die Weltmeisterschaft im Mittelgewicht geboxt hatte, bevor dieser es mit seiner Artie-Diamond-Nummer zu weit trieb.
    Wir saßen draußen in der Dunkelheit beisammen, um einen plumpen Korbtisch gedrängt, dessen Glasplatte so schräg stand, dass unsere Drinks jedes Mal überschwappten, wenn ein Windhauch aufkam. Ein einsamer Kellner hastete hin und her und
balancierte gefährlich im Wind schwankende Tabletts mit Rum Daiquiris und schwarzem kubanischen Kaffee.
     
     
    Man kann viel lernen, wenn man draußen vor dem Hotel Nacional in Havanna abhängt. Da gibt es eine schwer beeindruckende Mischung aus Kriminellen und Ausländern und schönen Frauen mit ganz besonderen Absichten. In Havanna ist niemand genau das, was er zu sein scheint, und das gilt besonders für das Hotel Nacional, das weltweit in dem Ruf steht, Kubas Gastfreundlichkeit in Reinkultur zu verkörpern.
    Der Malecon ist der lange, breite Boulevard, der in Havanna am Wasser entlang führt. Der Hafen ist schrecklich verunreinigt, aber eine Meile weiter draußen, wo der Golfstrom verläuft, ist das Wasser sauber und fließt schnell. Keine einzige Insel ist am Horizont zu sehen. Zwischen hier und Key West gibt es nur neunzig Meilen tiefes Wasser und sechs Millionen Haie. Manche Leute begeben sich zum Spaß hinaus aufs Meer, aber viele sind es nicht. Nachts spielen sich im Golf von Mexiko ernstere Dinge ab – kommerzielle Frachter befahren ihn, kommerzielle Fischer machen Beute, und ab und an schwimmt zwischen dem Treibgut ein menschliches Skelett.
    Der Malecon ist anders. Es herrscht Leben und Treiben auf dieser Strandpromenade, schlendernde Liebespaare, Fahrradrikschas, Grüppchen von zwielichtigen Gestalten, die mit der Polizei unter einer Decke stecken und sich hier und da unter einer Straßenlaterne versammeln, vorbeifahrenden Autos hinterherjohlen und Fischköpfe nach den Krokodilen werfen, die wie der Blitz auftauchen und anderthalb Meter hoch in die Luft springen können, wenn sie Frischfleisch wittern. Kubanische Krokodile sind ganz besondere Biester und berühmt für ihr athletisches Können und ihre Grausamkeit. Wenn eins von diesen Krokos gereizt ist, schnappt es sich einen kleinen Jungen und zwei Sechserpacks Bier und verschlingt sie auf einen Schlag.
    Bill Clinton verbindet mit Kuba eine lange und üble Geschichte. Sie geht zurück auf den »Mariel Boatlift«, den Massenexodus übers Meer, durch den Castro 1980 seine Insel von »Dissidenten« befreite. Innerhalb weniger Wochen schickte er von der Hafenstadt Mariel aus 125000 »Flüchtlinge«, darunter viele geisteskranke Verbrecher, nach Key West. Dort wurden sie von den Booten geholt und über den US-Highway A1 in Auffanglager oben in Miami verfrachtet, wo viele von ihnen später Arbeit und Zuflucht in der großen und blühenden, gegen Castro eingestellten kubanischen Exilgemeinde fanden. Doch nicht alle. Ungefähr 50 000 von ihnen wurden überprüft und für so gemeingefährlich, gewalttätig und unverbesserlich befunden, dass man sie nirgendwo auf die menschliche Gemeinschaft würde loslassen können. Und nach Kuba konnten sie wegen ihres Status als »politische Flüchtlinge« auch nicht zurückkehren. Also schickte man sie in Ketten in diverse Gefängnisse im ganzen Land, in Hochsicherheitskäfige wie Danbury, Lompoc und Marion, wo sie auf der Stelle alle anderen Häftlinge, aber auch Wärter und Aufseher zu terrorisieren begannen. Es

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