Königreich der Angst: Aus dem Leben des letzten amerikanischen Rebellen (German Edition)

27. MÄRZ 1999
NOTIZEN
     
    Heute ist kein guter Tag, um nach Kuba zu reisen.
    Mist verdammter, das Weiße Haus wird schon wieder aggressiv.
    (Jetzt begreif ich endlich: Clintons momentanes Verhalten entspricht dem Krankheitsbild fortgeschrittener Syphilis.)
    Vielleicht ist es nicht der richtige Zeitpunkt, nach Kuba zu reisen & meine eigenen Landsleute als Nazis zu denunzieren & über die AP-Ticker zitiert zu werden mit der Aussage: »Der Präsident muss das Endstadium einer Syphilis-Erkrankung erreicht haben. Eine andere Erklärung gibt es nicht.« (Anmerkung: Meinen
alten Freund Sandy Berger anrufen & ihn fragen, warum wir Jugoslawien bombardieren.)
    Zehntausend Serben randalierten gestern in der Grand Central Station und schwenkten Schilder mit der Aufschrift NATO = NAZIS. Für die US-Botschaften weltweit gilt Alarmstufe Rot & der Präsident von Jugoslawien fordert im Fernsehen die Menschen auf, jetzt unverzüglich und überall gegen alles vorzugehen, was amerikanischen Interessen dient.
    (Sonntagmorgen, 5 Uhr 33): Jesus Christus! Jetzt meldet CNN einen Angriff mit Granaten auf die US-Botschaft in Moskau: zwei Granatwerfer & eine Kalaschnikow. Dann floh der Mann in einem weißen Pkw. Wer mag es gewesen sein? Wer weiß das? Die Polizei treibt die üblichen Verdächtigen zusammen … Stealth-Bomber über Belgrad vom Himmel geholt, tapferer Pilot flieht in weißem Pkw, Truppen werden zusammengezogen, um Invasion zu starten, der 3. Weltkrieg droht … Ja, Sir, dies ist der richtige Augenblick, ins Ausland zu reisen & auf vielen ausländischen Flughäfen Zwischenstopps zu machen. Kein Problem …
     
     
    Heilige Scheiße. Ich fass es einfach nicht. Jetzt tritt auch noch der offizielle Sprecher der NATO vor und lässt verdammte Tiraden über Kriegsverbrechen & Gräueltaten ab & schwärmt von einem Bombenblizzard auf alle Kriegstreiber, die meinen, sie könnten es sich zur Gewohnheit machen, unschuldige Menschen abzuschlachten.
    »Lassen Sie mich jedoch anmerken, dass nichts von alledem geschehen wäre, wenn Jugoslawien eine demokratische Regierung gehabt hätte.«
    Was? Von wem reden wir hier eigentlich? Wer sitzt denn in diesen Flugzeugen, die sechstausend Meilen von zu Hause zivile Ziele mit Bombenteppichen belegen?
    Sag nichts, Bubba – lass mich raten. Es muss Jesse James mit seiner »Hole-in-the-Wall«-Bande sein. Nein?
    In der Hemingway Boat Marina, Havanna, 1999 (Heidi Opheim)
    Nun, Milosevic heißt er nicht, Bubba. Und Adolf Hitler ist inzwischen schon fünfzig Jahre tot.
    Hier geht was vor, aber was es ist, wissen Sie nicht. Oder, Mr. Jones? Klingt nach einem Syphilis-Blizzard. Nach Irrsinn. Clinton usw. …
     
    Diese Leute unterscheiden sich von allen anderen, Jack – sie haben
Yale besucht, sie spielen Bridge. Und sie ficken sich gegenseitig.
    CIA-Tratsch, Havanna
     
    Genau. Das sagten sie vor vierzig Jahren über die CIA, damals in den guten alten Tagen, als sie sich zu experimentellen Zwecken im Namen der Nationalen Sicherheit gegenseitig mit LSD-25 fütterten. Die Agency plante, LSD-Bomben auf Moskau & andere feindliche Städte zu werfen, wenn der 3. Weltkrieg erst mal ausgebrochen wäre. Daher stammt der Ausdruck »bomben wir ihnen das Hirn zu Brei«. Das war CIA-Jargon, höchste Geheimstufe. Aber die Experimente gerieten außer Kontrolle & zum 3. Weltkrieg kam es nicht – zumindest nicht so, wie sie es geplant hatten –, und daher wurde die Redewendung aus dem geheimen Codebuch der Agency gestrichen.
    Bis jetzt. Jetzt ist sie wieder in Mode gekommen, und die Spione bringen sich beim Lunch damit gegenseitig zum Lachen: »Ja, du sagst es, wir bomben denen das Hirn zu Brei, da drüben in Belgrad. Wegrennen können sie, aber verstecken können sie sich nicht.« So reden die Männer von der CIA.
    Wir hörten drei von ihnen miteinander flirten, wie es nur verrohte Yalies fertig bringen.
    Wir begegneten ihnen in einem Warteraum auf dem Miami International Airport, als sich der Flug wegen einer Bombendrohung um drei Stunden verzögerte. Eine Weile herrschte Panik, aber die Agenten scherten sich nicht darum & tranken weiter. Also machte ich dasselbe. Warum sich Sorgen machen, dachte ich. Am sichersten ist man bei einer Bombendrohung immer in
der Nähe der Polizei. Immer schön lächeln & den Taubstummen mimen. Wenn du aus Versehen Geld fallen lässt, zähl immer erst bis drei, bevor du dich bückst, um es aufzuheben. Die Jungs sind darauf abgerichtet, auf alles zu schießen, was sich plötzlich