Königreich der Angst: Aus dem Leben des letzten amerikanischen Rebellen (German Edition)
das Gefühl, mein Lebensstil sei nicht gerade darauf angelegt, mich in Scharmützel mit dem politischen Establishment einer Kleinstadt zu verwickeln. Man hatte
mich zufrieden gelassen, meine Freunde nicht behelligt (mit zwei unvermeidbaren Ausnahmen – beides Anwälte) und konstant alle Gerüchte über wahnsinnige Ausbrüche und Gewalttätigkeit auf meinem Grundstück ignoriert. Im Gegenzug hatte ich es ganz bewusst vermieden, über Aspen zu schreiben ... bei meinem sehr eingeschränkten Umgang mit den Vertretern der örtlichen Behörden behandelte man mich wie ein halb verrücktes Zwitterwesen aus Einsiedler und Vielfraß, das man sich tunlichst so lange wie möglich vom Leibe halten soll.”
HUNTER S. THOMPSON
ROLLING STONE MAGAZIN
1. OKTOBER 1970
Der Fall der »Zeugin« nahm an dem Tag Fahrt auf, als sie beschlossen, mein Haus zu durchsuchen, an dem Tag, als man mich in Haft nahm. Ich geriet derart in Rage, dass ein Krieg daraus wurde. Von da an hieß das Szenario für mich nur noch »Töte oder werde getötet«, auch wenn ich bis dahin dem allem kaum Beachtung geschenkt hatte. Es war nichts als gequirlte Kacke. Aber mein eigener Anwalt sorgte dafür, dass man mich hopsnahm. Er veranlasste mich, ins Gerichtsgebäude zu kommen, damit man mich festnehmen und meine Fingerabdrücke registrieren konnte. Ich wusste, dass ich im Schlamassel steckte. Und von da an gab es nur noch diese wilde Wut. Ich weiß nicht, ob das gut ist oder schlecht. Aber sie verleiht Zielgerichtetheit und Konzentration. Es war ein wenig wie damals mit dem Briefkasten – als ich mich entschied zu fragen: »Welche Zeugen?« Dieser unheimliche Monolog … »Es ist eine Frage des Geschmacks.« Alles ist letztlich eine Frage des Geschmacks.
Der Vorfall mit dem Briefkasten hat mein Selbstbewusstsein gestärkt, nehme ich an, aber er hat mir keinesfalls das Gefühl gegeben, ich wäre smarter als sie. Er hat mich nur gelehrt, dass sie nicht so clever waren, wie sie dachten. Ich habe mich in jenem Fall nicht für schuldig erklärt, und das habe ich mir zur Gewohnheit gemacht. Das ist der rote Faden in diesem Buch. Ich habe nach einem gesucht, und das ist er.
GONZOS LETZTES GEFECHT? Ref 8
Irgendwann in der Nacht des 21. Februar rief Dr. Charles Slater im Büro des Sheriffs an und beschwerte sich, dass seine Frau von Thompson tätlich angegriffen worden sei – die genaue Zeit seines Anrufs ist höchst strittig, denn die “Aspen Times Daily” hat berichtet, auf dem Band, welches automatisch alle hereinkommenden Anrufe aufzeichnet, sei der Anruf Dr. Slaters nicht vorhanden. Später in derselben Nacht (irgendwann zwischen zwei und fünf Uhr morgens) meldete sich auch Palmers ehemaliger Geliebter und Geschäftspartner Marco DiMercurio. Er sagte, er riefe aus Los Angeles an, und behauptete, Thompson habe im Laufe des Abends Palmer eine Schusswaffe an den Kopf gehalten. Er bestand auf polizeiliche Ermittlungen, wies aber warnend darauf hin, dass Palmer vor zwei Uhr nachmittags nicht verhört werden dürfe.
Zu dem Zeitpunkt hatte sich Sheriff Braudis bereits von dem Fall zurückgezogen: Dem engen Freund von Thompson hatte man vorgeworfen, in der Streitsache zwischen Thompson und Floyd Watkins nicht ausreichend aggressiv ermittelt zu haben. Da er unbedingt den Eindruck mangelnder Fairness ausschließen wollte, übertrug er Chip McCrory,
dem Stellvertretenden Bezirksstaatsanwalt von Aspen, die Ermittlungen. McCrory, ehemals Ankläger in einer Vorstadt von Denver, wurde 1985 in das Büro in Aspen berufen und zum Chief Deputy befördert, als sein Vorgänger 1988 zurücktrat.
McCrory ist weder sonderlich beliebt, noch wird er als politisch ambitioniert angesehen, während weiter talabwärts der konservative Republikaner Milton Blakey von vielen liebevoll ironisch “Richter Blakey” genannt wird, weil er das Richteramt so heiß begehrt ...
Mit Blakeys Unterstützung ist McCrory deutlich vom Kurs seiner Vorgänger abgewichen, die ihren Strafverfolgungsdrang mit einer gesunden Dosis dessen abzumildern pflegten, was der Oberste Gerichtshof “kommunale Standards” genannt hat. McCrory brachte zum Beispiel kürzlich ein “schweres Verbrechen” vor Gericht, bei dem es um den Verkauf von Kokain im Wert von fünfundzwanzig Dollar ging, doch die Jury schmetterte den Fall nach weniger als einer Stunde Beratung ab. Noch problematischer war seine Absicht, einen Schuldspruch wegen einer “schweren Straftat” im Fall einer angesehenen jungen
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