Königreich der Angst: Aus dem Leben des letzten amerikanischen Rebellen (German Edition)
Sheriffs 1970 eine abwechslungsreiche und dynamische Wiederholung des vorjährigen Aufbegehrens mit dem Motto »Wählt Joe Edwards zum Bürgermeister«, der letztlich dann nur sechs Stimmen zum Wahlerfolg fehlten. Aber das Geheimnis unseres Erfolgs in jenem Jahr lag darin, dass wir vom lokalen Establishment nicht ernst genommen wurden … und als sie schließlich rafften, was ihnen geschah, hatte schon fast ihr letztes Stündchen geschlagen. Nur ein Betrug mit den Stimmen der Briefwähler in letzter Minute und unser Unvermögen, 2000 Dollar aufzubringen, um diesen Betrug vor Gericht anzufechten, verhinderten es, dass ein neunundzwanzig Jahre alter Rennmotorradfreak Bürgermeister von Aspen wurde. Aber im Zuge von Edwards’ Niederlage schufen wir eine völlig neue Art von Machtbasis, die erste ihrer Art in der amerikanischen Politlandschaft. Es handelte sich um eine eigenwillige Kombination von »Woodstock«-Vibrations mit »New Left«-Aktivismus und dem grundlegenden »Demokratiebegriff Jeffersons« mit starken Anklängen an das Ethos der Boston Tea Party. Was aus der Joe-Edwards-Wahlkampagne erwuchs, war eine höchst wirklichkeitsnahe Strategie, die Agnew-Mentalität mit ihren eigenen Waffen auszumerzen – mit der Wählerstimme statt mit der Bombe; durch Inbesitznahme und Nutzung ihrer Machtmaschinerie statt durch deren bloße Zerstörung.
Die nationale Presse stieg groß ein – hauptsächlich aufgrund eines Artikels im Rolling Stone , den ich über die Wahl von 1969 schrieb ( Rolling Stone # 67, 1. Oktober 1970) und der alles im Detail darlegte. Meine Intention war damals, das »Freak Power«-Konzept so zu skizzieren, dass es, einschließlich der Blaupause und aller Details, umfassende Verbreitung finden konnte. Und ich hoffte, dass es der Schlüssel zu starken politischen Aktionen auch an anderen Orten sein könnte.
(Michael Montfort)
An jenem nervenaufreibenden Mittwochabend vor der Sheriff-wahl war verdammt schwer einzuschätzen, was für eine Scheiße da eigentlich lief … oder gar noch laufen könnte. Das lokale Establishment schien nämlich total durchgedreht zu sein.
Also war es nur folgerichtig, dass wir die Owl Farm zu einer veritablen Festung aufgerüstet hatten. Unser rotierendes »Au-ßendreieck bewaffneter Abwehr« war nur der Anfang. Dahinter lauerten im ganzen Haus viele aufgedrehte Freaks – sämtlich bis an die Zähne bewaffnet – in ungeduldiger Erwartung, endlich ihre Wache in der mondlosen, bitterkalten Nacht zu übernehmen. Das einzige von der Straße her sichtbare Licht stammte vom Außenfluter, aber drinnen – hinter den verhängten Fenstern der großen Holzküche und unten im schalldichten und fensterlosen »Kriegsratsraum« – ließ sich eine krude Mischung von Leuten durch die düsteren Gezeiten einer nervösen Nacht treiben: Essen, Trinken, Aushecken, Wiederkäuen der Kette unglaublicher Ereignisse, die uns in diese Situation gestürzt hatten
… samt und sonders bewaffnet, keiner willens, schlafen zu gehen, und niemand darunter, der wirklich glaubte, dass wir etwas Gescheites taten. Es war alles zu irre, zu unwahrscheinlich, zu ähnlich dem Albtraum eines von Acid gebeutelten Drehbuchschreibers in einer üblen Nacht im Chateau Marmont … zu ähnlich dem stümperhaften Exposé irgendeines Irren zu einem Film über Endzeitpolitik.
Aber es war alles irrsinnig real. Und das wussten wir auch. Niemand im Haus war in jener Nacht angetörnt oder gar abgedreht. Niemand war betrunken. Und als ein paar Stunden zuvor klar geworden war, dass eine sehr wilde und bedrohliche Nacht auf uns zukam, führten wir auf höchst diskrete Weise eine Art Ausmusterung im Personal durch und wählten mit größtmöglicher Sorgfalt das gute halbe Dutzend von Leuten aus, die unserem Ermessen nach in der Lage sein würden, mit der Art Wahnwitz fertig zu werden, der uns laut Aussagen des Colorado Bureau of Investigation wahrscheinlich noch vor Morgendämmerung drohte.
Zweifellos waren wir alle dem Untergang geweiht. Die Hälfte der örtlichen Bevölkerung würde nicht lange genug leben, um noch wählen zu können, und die andere Hälfte würde im unvermeidlichen Holocaust der Wahlnacht zugrunde gehen. Als die Leute von NBC-TV so ungefähr in der mittleren Phase der Wahlkampagne auftauchten, riet ich ihnen, unbedingt in der Nähe zu bleiben. »Es wird zu einem Blutbad kommen, wenn ich gewinne«, sagte ich, »und es wird eines geben, wenn ich verliere. So oder so bahnt sich ein unglaubliches
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