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Königreich der Angst: Aus dem Leben des letzten amerikanischen Rebellen (German Edition)

Königreich der Angst: Aus dem Leben des letzten amerikanischen Rebellen (German Edition)

Titel: Königreich der Angst: Aus dem Leben des letzten amerikanischen Rebellen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hunter S. Thompson
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versetzen, der die Prügel erst viel später bedeutungsvoll erscheinen lässt … und zusammen mit Freunden ins Gefängnis gesperrt zu werden ist eher ein ungewöhnliches High als ein Trauma; tatsächlich ist eher etwas leicht Unehrenhaftes daran, durch die Sechziger gekommen zu sein, ohne eine Zeit im Gefängnis verbracht zu haben.
    Chicago stand für das Ende der Sechziger, jedenfalls für mich. Ich weiß noch, dass ich immer wieder in mein Zimmer im Blackstone, auf der anderen Straßenseite vom Hilton, zurückkehrte und jeweils stundenlang im Schneidersitz auf meinem Bett verharrte. Zitternd, unfähig, irgendwelche Notizen zu machen, auf den Fernsehschirm starrend, während mir die Gedanken und Bilder dessen, was ich soeben erlebt hatte, durch den Kopf wirbelten und alles verschwimmen ließen … und ich konnte es nochmals miterleben, im Fernsehen, konnte mich selbst im Bild erkennen, wie ich in nackter Panik über den Michigan Drive
rannte, einem Schlagstock schwingenden Cop immer zwei Schritte voraus und in dem Bewusstsein, dass meine Lungen jeden Moment von einer Kugel zerfetzt werden konnten, die mich treffen würde, noch bevor ich den Schuss gehört hatte.
    Ich stand an der Ecke Michigan und Balboa, als die Bullen am Mittwochabend angriffen … und ich weiß noch, dass ich dachte: NEIN. Das kann nicht sein. Ich presste mich an eine Mauer des Blackstone und fischte einen Motorradhelm aus meinem freundlich blauen L. L. Bean-Seesack … und dazu die gelbe Schneebrille, weil ich dachte, sie würden wahrscheinlich Mace einsetzen oder zumindest Tränengas … doch an dem Abend haben sie es ausnahmsweise nicht getan.
    Am Mittwoch setzten sie Schlagstöcke ein, und es war die absolute Horror-Show. Ich stand an der Mauer und mühte mich, den Helm aufzusetzen, während die Leute an mir vorbeirannten wie eine Rinderherde auf wilder Flucht. Jene, die nicht schrien, bluteten, und einige wurden weggeschleift. Ich habe noch nie ein Erdbeben miterleben müssen, aber ich bin sicher, dass man sich dabei so ähnlich fühlt. Totale Panik und Fassungslosigkeit – und keine Fluchtmöglichkeit. Die erste Welle Cops kam im Laufschritt die Balboa herunter und traf wie ein Rammbock auf die Menge, sodass die Leute in alle Richtungen auseinander stoben wie Ameisen, deren Hügel in Flammen steht … doch egal, wohin sie rannten, die Bullen waren schon da. Die zweite Welle wälzte sich durch den Grant Park heran wie ein mächtiger Mähdrescher, eine Phalanx langer schwarzer Polizeiknüppel, die auf alle Leute niederfuhren, die hysterisch vor der Prügelorgie an der Kreuzung flohen.
    Andere versuchten, die Balboa hinunter zur State Street zu flüchten, aber auch in der Richtung gab es kein Entkommen – nur eine weitere Welle Cops, die in einem vorausgeplanten Zangenmanöver die gesamte Straße absperrten und jedem, den sie zu fassen bekamen, die heilige Scheiße aus dem Leib prügelten. Die Demonstranten versuchten, irgendwie Formation zu halten,
und während sie davonliefen, riefen sie einander kreuz und quer zu: »Bleibt zusammen! Bleibt zusammen!«
    Auch ich steckte plötzlich in der Zange, und mir blieb kein anderer Ausweg, als zurück ins Blackstone zu rennen. Aber die beiden Bullen vor der Tür wollten mich nicht reinlassen. Sie hielten ihre Schlagstöcke mit beiden Händen vor sich ausgestreckt und ließen niemanden in die Nähe der Tür.
    Inzwischen musste ich mit ansehen, wie unmittelbar links und rechts neben mir die Menschen brutal niedergeknüppelt wurden. Es war nur noch eine Frage von Sekunden, bis auch ich zu Boden gehen würde … und daher rannte ich mitten zwischen die Knüppel und schrie: »Ich wohne da, verdammt! Und ich zahl dafür fünfzig Dollar am Tag!« Als sie mich zur Tür geprügelt hatten, war ich jedenfalls außer Reichweite dessen, was sich auf dem Gehsteig zutrug … und wie es ein kaum fassbares Glück wollte, hatte ich meinen Zimmerschlüssel in der Tasche. Normalerweise hätte ich ihn am Empfang abgegeben, bevor ich wegging, aber in der Anspannung dieses Abends hatte ich es vergessen, und der Schlüssel wurde meine Rettung – das und die rechtschaffene Wut, die in allem, was ich sagte, mitgeschwungen haben musste wie das Zornesgeschrei Jesu. Denn ich wohnte wirklich dort. Ich war, verflucht noch mal, ein zahlender Gast ! Und ich zweifelte keine Sekunde lang daran, dass die stinkenden Wichser in den blauen Uniformen nicht das geringste Recht hatten, mich auszusperren.
    Das war meine

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