Königreich der Angst: Aus dem Leben des letzten amerikanischen Rebellen (German Edition)
während der Krawalle in East Los Angeles im vergangenen August, die in der Ermordung von Ruben Salazar durch einen Sheriff’s Deputy des L. A. County gipfelten. Oscar sollte in diesem Prozess als Verteidiger fungieren, doch Mitte Oktober fand er sich in Colorado wieder, ohne sonderlich viel zu tun zu haben, und daher entschloss er
sich, in seiner alten Heimat Aspen Halt zu machen und nachzuschauen, was die bleichgesichtigen Gringos so trieben … und das albtraumhafte Schauspiel, das sich ihm hier bot, schien ihn davon zu überzeugen, dass das Amerika der weißen Mittelklasse wahrhaft und rettungslos verloren war.
Am Abend vor der Wahl füllte sich Oscars kleines Zimmer im Jerome sehr schnell mit Leuten – sowohl Einheimischen wie »Außenstehenden« –, die seine düstere Überzeugung teilten, dass diese Wahl in Aspen im Zusammenhang mit der nationalen Politik ernst zu nehmende Auswirkungen hatte. Schon von Anfang an war es um einen bemerkenswerten und beispiellosen Testfall gegangen, aber gegen Ende – als es den Anschein hatte, als könne ein radikaler Kandidat, der zudem den Drogen zugetan war, tatsächlich als Sieger aus einem Frontalzusammenstoß mit den Agnew-Leuten hervorgehen – bekam die Wahl in Aspen plötzlich nationales Gewicht. Sie war eine Art unbeabsichtigter Versuchsballon und würde sich, wenn sie wie gewünscht ausging, als enorm bedeutsam erweisen – besonders für die Legionen zorniger Typen der Fraktionen New Left und Radical, die ihre guten Gründe hatten, darauf zu beharren, dass der Versuch, etwas »innerhalb des Systems« zu erreichen, inzwischen sinnlos sei.
Wenn jedoch eine im Wesentlichen republikanische Stadt wie Aspen einen Sheriff mit radikalem Freak-Power-Wahlprogramm wählte, bestünde die Möglichkeit, dass Wahlen sich doch als brauchbares Instrument erwiesen … und es könnte eventuell möglich sein, den widerlichen faschistischen Strömungen in dieser Nation Einhalt zu gebieten, ohne dabei alles in Schutt und Asche zu legen. Diese einzigartige Gelegenheit war es, die Dave Meggyesy aus San Francisco zu uns gelockt hatte. Meggyesy, ehemaliger Linebacker bei den St. Louis Cardinals, hatte unlängst den Profi-Football aufgegeben und sich in radikale Politik gestürzt … Das Magazin Look druckte sein Buch Out of Their
League in Fortsetzungen ab, und der erste Teil lag in der Woche an den Zeitungskiosken. Er selbst war soeben aus New York von einem Auftritt in The Dick Cavett Show zurückgekommen. Aber Look war etwas zu anspruchsvoll für die grauen Zellen derjenigen, die in Aspen ihre Stimmen gegen uns abgaben. Für sie war Dave Meggyesy nur einer mehr von diesen »dreckigen kommunistischen Fremden, die Thompson importierte, um die Macht in der Stadt zu übernehmen«.
Es lässt sich nur schwer kommunizieren, wenn die anderen nicht deine Sprache sprechen, und daher verlegte sich Meggyesy aufs Tippen und heuerte als Leibwächter an – zusammen mit TeddyYewer, dem wilden jungen Biker aus Madison, Paul Davidson, dem White Panther mit Schwarzgurt aus Denver, und dem völlig ausgeflippten Gene Johnson, der früher seinen eigenen Malereibetrieb hatte … allesamt natürlich Kommunisten und auf der Lohnliste Pekings.
Diese heimtückischen Perverslinge – und andere mehr – gehörten zu denen, die sich an jenem Abend in Oscars Zimmer versammelten, um angesichts der Trümmer von Amerikas erster Freak-Power-Wahlkampagne Manöverkritik zu üben.
Selbstverständlich herrschte kein Mangel an Gründen, mit denen sich unsere Niederlage erklären ließ. Einige davon waren so grausam nahe liegend, dass es wenig Sinn macht, sie aufzulisten, außer fürs Protokoll – was durchaus von entscheidender Wichtigkeit ist, weil eben die offiziellen Aufzeichnungen zeigen werden, dass wir trotz augenscheinlich selbstmörderischer Handicaps in der Stadt Aspen tatsächlich den Wahlsieg errangen und im gesamten County rund vierundvierzig Prozent aller Stimmen einsackten. Eben das war der echte Knaller: Nicht dass wir verloren, sondern dass wir den Gesamtsieg um Haaresbreite verpasst hatten.
Das Protokoll wird auch zeigen, dass wir unsere politischen
Lektionen recht gut lernten, nachdem wir uns ernsthaft mit den Gründen für die Wahlniederlage von Joe Edwards 1969 – ihm hatten nur sechs Stimmen gefehlt – beschäftigt hatten. Unser Fehler – der letztlich einzig allein meiner war – bestand darin, unseren Wissensstand in einem Magazin mit nationaler Verbreitung
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