Königreich der Angst: Aus dem Leben des letzten amerikanischen Rebellen (German Edition)
Western.
In einem Tal, in dem Individualismus und persönliche Freiheit die vorherrschende Lebensmaxime waren, hätte Floyd Watkins eigentlich viele Freunde haben müssen. Er ist jener Typ Mensch, der einst den Westen zu dem gemacht hat, was er ist ... ein Selfmademan, der in Florida und Kalifornien in der aufregenden Welt des Inkassogeschäfts (auf
höchster Ebene) Unsummen gescheffelt hatte. Seine Firma, die er 1985 für einen Millionenbetrag verkaufte, hieß Transworld Systems. Als Watkins hierher kam, erwartete er denselben Respekt, den er aus Miami gewohnt war, und um das zu untermauern, begann er, ein Multi-Millionen-Dollar-Anwesen zu errichten, das mit jenen konkurrieren sollte, die im Laufe des vergangenen Jahrzehnts Aspen zu einem alpinen Palm Springs gemacht hatten.
... Aber Watkins’ mangelnde Sensibilität für die Traditionen des alten Westens im Allgemeinen und die Gepflogenheiten in Woody Creek im Besonderen mussten Anstoß erregen. Er umgab sein Grundstück mit abschreckenden Maschendrahtzäunen, wie man sie eigentlich nur aus Großstädten kennt, ließ einen klotzigen Torweg aus Felsbrocken und Beton errichten, befestigte seine Zufahrtswege mit Tonnen von Zement und machte sich stark dafür, dass die Woody-Creek-Straße ebenfalls asphaltiert wurde, damit der Staub aus seinen Salons fern gehalten wurde. Und schlimmer noch: In einem Landstrich, in dem Wasser so hoch geschätzt wird wie Gold, ließ Watkins Bulldozer durch Flussbetten pflügen, die seine Nachbarn weiter unten genutzt hatten, um ihr Vieh zu tränken und ihre Felder zu bewässern, und leitete dann einen Wasserlauf durch seinen Vorgarten. Außerdem hatte er vor, künstliche Forellenteiche anzulegen, obwohl dergleichen im County offiziell missbilligt wurde, um sie schließlich zu einem kommerziellen Angler-Camp zu machen.
Später verarbeitete Thompson diese Entwicklungen literarisch in seiner wöchentlichen Kolumne im “San Francisco Examiner” und deutete an, dass
in seinem Tal eine Fehde vom Ausmaß des Hatfield-und-McCoy-Streits Ende des 19. Jahrhunderts in den Appalachen loszubrechen drohte ...
Es war ein gewöhnlicher Fall von jugendlichem Vandalismus, der das Fass schließlich zum Überlaufen brachte. Wie Floyd Watkins später berichtete, hatten seine Arbeitertrupps kaum die neue Auffahrt zu seiner Beaver Run Ranch aufgeschüttet, als jemand unbemerkt und ungesehen “Fick dich, Schwanzlutscher” in den schwarz eingefärbten Beton ritzte und ein anonymer Anrufer warnte: “In Woody Creek wird nichts mehr zubetoniert”. Watkins sagte, damit sei die Grenze des Erträglichen erreicht gewesen, denn man habe zuvor – wie er behauptete – nicht nur gedroht, seinen Hund zu vergiften, sondern auch seine gesamte Nachtbeleuchtung zerschossen, ein “Beaver Run Ranch”-Schild an der Hauptstraße abgesägt und schließlich an der imposanten Einfahrt einen Felsblock mit dem Graffititext “Fat Floyds Forellenfarm” verunziert.
“Ich habe im Büro des Sheriffs angerufen, um mich zu beschweren, aber dort sagte man mir, es seien nur zwei Deputies im Dienst, und daher könnten sie niemanden schicken”, erklärte Watkins, als ich ihn besuchte, um zu erfahren, wie er zu dem Streit stand. “Ich habe dem Sheriff gleich gesagt, dass ich die Dinge selbst in die Hand nehmen würde.”
Das erste Anzeichen dafür, dass sich Watkins auf den Kriegspfad begeben hatte, gab es noch am selben Abend, als Gaylord Guenin, ein freundlicher ehemaliger Journalist, der die Woody Creek Tavern führt, zu seinem Haus zwei Meilen flussaufwärts
hinter der Beaver Run Ranch unterwegs war. Watkins verfolgte Guenins Pick-up und zwang ihn, am Straßenrand zu halten.
“Er schäumte vor Wut und bedrohte mich”, erinnert sich Guenin. “Er sprach von Uzis, die er besaß, und Infrarot-Nachtsichtgeräten bei sich zu Hause und auch davon, alle Möglichkeiten zu haben, ‘sich um bestimmte Leute zu kümmern’ und dann dreitausend Meilen weit weg zu sein, wenn ihnen etwas zustieß. Es war eindeutig, dass man mich ausgesucht hatte, eine Botschaft zu übermitteln.” Noch immer aufgewühlt, als er zu Hause ankam, rief Guenin in der Tavern an und warnte alle, dass Watkins auf einem Rachefeldzug war. Natürlich konnte niemand wissen, dass Watkins beschlossen hatte, die Nacht schwer bewaffnet in seinem Auto ganz in der Nähe seiner Auffahrt zu verbringen.
Watkins erinnert sich, dass in jener Nacht fünfzehn oder zwanzig Fahrzeuge die Straße hinaufkamen. Allesamt
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