Königreich der Angst: Aus dem Leben des letzten amerikanischen Rebellen (German Edition)
dass ich Stück für Stück die Kontrolle verlor.
Ungefähr zwanzig Minuten später klopfte es an der Tür. Ich hatte mit Semmes – aus lauter Faulheit, nehme ich an – vereinbart, dass er sie in die Küche bringen könne und ich ihr kurz die Hand schütteln würde, bevor er sie zum Tanzvergnügen ausführte. Ich gab ihm sogar Geld … und danach verloren wir die Übersicht.
Ich stand auf und begrüßte die Zeugin mit einem »Hallo«, woraufhin sie sofort losblubberte und mich mit allen möglichen Fragen bombardierte, die sie mir unbedingt stellen wollte: »Wie sieht Ihr Sexleben aus? Was halten Sie von durchsichtigen Nachthemden?« Dummes Gequatsche und absoluter Stuss, womit ich nichts zu tun haben wollte. »Ruhig. Ruhig. Seien Sie RUHIG!«, sagte ich. Und auch Semmes gegenüber betonte ich: »Sie hat hier ruhig zu sein.« Semmes wollte sich weiter die Grammys ansehen, und irgendwie ergab es sich, dass die Zeugin im Sessel saß – um ebenfalls die Grammys zu sehen.
Ich brachte sie dazu, eine Weile ruhig zu sein: Sobald sie etwas wollte, herrschte ich sie grob an: »Schnauze!« Während der Werbepausen fing sie immer wieder mit ihrem Gequassel an und nervte mich zu Tode. Als sie nicht aufhörte, sich nach meinem Sexleben zu erkundigen, ließ ich sie laut aus Screwjack vorlesen. »Also okay«, sagte ich. »Sie sind neugierig? Hier ist eine Story, die ich gerade geschrieben habe.«
Es gelang ihr nicht, Screwjack bis zum Ende durchzulesen. Der Text stürzte sie in Verwirrung. Ich sagte: »Was ist denn los mit Ihnen? Machen Sie weiter. Können Sie nicht lesen?« Sie las ungefähr die Hälfte und sagte: »He, was zum Teufel ist das? Das kann nur ein Perverser …« Es ging ihr an die Nieren, aber ich zwang sie weiterzulesen. Ich wusste, das Buch würde ihr etwas sagen, und
ich konnte feststellen, dass sie aus der Erfahrung des Vorlesens etwas gelernt hatte: Sie war hinterher nicht mehr so aufdringlich laut. Unterdessen warteten wir darauf, dass Buffett auftrat, und ich wurde extrem nervös.
Es mag sein, dass der Abend vielleicht ein wenig langweilig war, zumindest für mich. Bis dahin hatten mich in meinem Haus bereits Irre aller Art besucht, diverse Nymphomaninnen, Drogenfreaks mit Stoff aller Art in den Taschen. Ich hatte Arschlöcher ernst zu nehmender Größenordnung bei mir zu Gast, darunter so manchen Senator. Ich sollte eine Liste der schlimmsten Arschlöcher aufstellen, die je hier eingelaufen sind … und wenn ich es täte, würde Gail die Liste nicht einmal anführen. Ich hatte regelrecht Mitleid mit ihr, als mir klar wurde, dass sie unter der Knute dieses »Ehemanns« stand, der wahrscheinlich den Detroit Lions als Zuhälter gefällig war. Sie war einfach fehl am Platz, und das sogar in der Sexbranche.
Wir konnten uns nicht von den Grammys losreißen, und ich hatte diese Frau am Hals, die sich nicht von mir losreißen konnte. Semmes war unzurechnungsfähig, und ich fühlte mich erheblich belästigt, wie von jeder lauten fremden Person, die mir jemand in die Küche schleppt. Die Zeugin zu beleidigen war schwierig: Sie war beschränkt und außerdem durchs Sexgeschäft professionell abgestumpft gegenüber dem, was andere Menschen dachten oder fühlten. Wenn man mit dem XXX-Brandzeichen lebt, legt man sich mit der Zeit einen Panzer zu wie ein Gürteltier. Könnte sein, dass ich da nicht viel anders bin.
Es bleibt ein Rätsel, warum ich davon so genervt war, aber zu allem Überfluss besaß diese Frau keine Spur von Humor. Sie war die ungebetene Fremde, das war ihre Rolle hier im Raum. Ich habe nicht mehr als zehn Wörter an sie gerichtet – einschließlich »Seien Sie ruhig!« Ich habe verdammt genau darauf geachtet, dass sich zwischen uns beiden stets Leute oder Dinge befanden. Mag sein, dass ich ihr die Hand geschüttelt habe, aber mehr auch nicht. Ich erinnere mich, dass ich später gegenüber der Aspen Times gesagt habe, ich hätte mir im Leben nicht vorstellen können, mit ihr in einen
Hot Tub zu steigen (was ich ihrer Behauptung nach versucht haben soll), weil sie viel zu viel Wasser verdrängt hätte.
Das Basketballspiel war interessant gewesen. Die Grammys waren es nicht. Dieser störende Fremdkörper war in das Sozialgefüge eingeschleppt worden, aber ich blieb, so gut es ging, der Gentleman aus den Südstaaten. Ich wusste, was ich in dieser Nacht vielleicht noch tun würde, aber mit dieser Frau würde es sich nicht abspielen. Die einzige Frage blieb, wie bald ich sie vor die
Weitere Kostenlose Bücher