Königreich der Angst: Aus dem Leben des letzten amerikanischen Rebellen (German Edition)
sollte auftreten, und das wollten sie unbedingt mitkriegen. Ich hatte aber nichts für die Scheißgrammys übrig und auch nicht vor, sie mir anzusehen.
Der Verstärker lag noch immer auf dem Fußboden, in seine Einzelteile
zerlegt. Und er würde auch nicht wieder zusammengebaut werden, bevor Tim nicht geschnallt hatte, dass es eine Sicherung gab, die sich ganz tief innen drin befand. Ich wusste das, Tim nicht, und Semmes scherte sich nicht darum: Er trank reichlich Bier und hatte eigentlich noch vor, in die Stadt zu fahren – er wollte tanzen gehen. Tim würde irgendwann einmal zu seiner Frau Carol Ann nach Hause fahren, um mit ihr zu Abend zu essen.
Das Spiel war sehr gut – ein Zwei-Punkte-Spiel. Georgetown gewann. Ich wartete nur darauf, dass sie sich verpissten. Ich glaube, wir haben auch Gras geraucht. Ich war jedenfalls so weit, alle Hemmungen abzustreifen, aber nicht in Gegenwart der beiden. Mag sein, dass Cat meine Gedanken lesen konnte – wir hatten nichts geplant, aber wahrscheinlich ahnte sie, was mir vorschwebte.
Tim verbiss sich in die beschissene Reparaturarbeit am Verstärker und geriet zunehmend in Rage. Semmes war inzwischen völlig benebelt auf dem Ohrensessel in sich zusammengesackt. Semmes betrank sich nicht aus Spaß, sondern weil er sich ständig Sorgen machte wegen seiner dämlichen Bewährung. In meiner Verzweiflung sah ich auf den Kalender (mag schon sein, dass ich mich an ihren bevorstehenden Besuch erinnerte) und las die Notiz, die Deborah gemacht hatte: »Gail Palmer …« Es bedurfte nur diesen kurzen Blicks … und dann, KLICK. Ich dachte einen Augenblick daran, dass Semmes sich immer wieder beklagte, die Frauen in Aspen seien allesamt der letzte Dreck – nichtsnutzige Nutten – und als Tanzpartnerinnen völlig unbrauchbar. Er war eben tanzverrückt.
Das war vielleicht die Lösung, und bevor ich alles gut durchdacht hatte, sagte ich: »Semmes, ich hab die Lösung für dein beschissenes Problem.« Er sah aus, als würde er langsam den Mut verlieren, weil er keine Frau fand, die mit ihm ausgehen mochte. Ich versuchte, ihn anzuspornen, ihn zu ermutigen, dass er sich endlich raustraute.
Er sprang nicht sofort darauf an, aber ich blieb beharrlich. »Ich hab da jemanden für dich. Eine ganz wilde Frau, ein echt heißes
Teil …« Ich hatte die Unterlagen zur Hand und zeigte ihm die Zeitungsausschnitte. Ich machte sie ihm so richtig schmackhaft – ich sagte: »Du brauchst sie nur anzurufen, und sie geht mit dir aus. Mit der kannst du so richtig auf den Putz hauen. Ich zahl euch sogar die Drinks.«
Ich überredete ihn, nach nebenan zu gehen und die Zeugin anzurufen. Ich hörte ihn reden, gab mir aber keine Mühe, darauf zu achten, was er sagte. Plötzlich stand er in der Küchentür. Er hatte das Telefon im Wohnzimmer gelassen und sagte: »Sie will aber dich kennen lernen. Sie will dich kennen lernen, bevor wir tanzen gehen.«
Bis zur Lösung des Problems waren drei weitere Telefonate und drei Besuche von Semmes bei mir in der Küche erforderlich. Die Zeugin wollte mich auf jeden Fall kennen lernen, und das passte mir gar nicht. Als Semmes zum zweiten Mal in der Küche aufkreuzte, sagte ich schließlich: »Scheiße, Semmes, sag ihr einfach, sie soll sich ein Taxi schnappen und hierher kommen, aber das Taxi auf jeden Fall warten lassen.«
Sie wollte sich nicht auf das Date mit Semmes einlassen, ohne mich kennen gelernt zu haben, und das machte mich stinksauer. Als Semmes schließlich zum dritten Mal in die Küche kam und sagte: »Sie möchte wissen, ob sie ihren Mann mitbringen kann«, antwortete ich: »Zum Henker, nein! Absolut nicht. Nicht mal, wenn sie nur am Grundstück vorbeifahren wollten.« Es bedurfte noch einer weiteren halben Stunde des Quatschens und Feilschens, bis sie schließlich akzeptierte.
Ich ahnte, dass Semmes in eine abstruse Situation zu schlittern drohte, da auch noch ein Ehemann ins Spiel kam. Sie wollte ein Interview mit mir – sie wollte mit mir über das Sexbusiness sprechen. Sie hielt sich für den Ralph Nader des Sexbusiness und wollte mit mir als Partner ein Sortiment von Sexspielzeug auf den Markt bringen – vielleicht eine Produktlinie hochklassiger Dildos. Ich wollte damit nichts zu tun haben, natürlich nicht. Ich hatte nicht das geringste Interesse, und die bisherigen Erfahrungen mit
ihr hatten den Eindruck hinterlassen, dass sie nichts war als eine negative und verlogene Person. Jetzt, beim Erzählen dieser Geschichte, dämmert mir,
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