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Königreich der Angst: Aus dem Leben des letzten amerikanischen Rebellen (German Edition)

Königreich der Angst: Aus dem Leben des letzten amerikanischen Rebellen (German Edition)

Titel: Königreich der Angst: Aus dem Leben des letzten amerikanischen Rebellen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hunter S. Thompson
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Tür setzen konnte.
    Ich versuchte ständig, sie vom Telefon im Büro fern zu halten – immer wieder verließ sie den Raum, um ihren Ehemann »privat« anzurufen. Ich hatte Semmes aufgetragen, sie nicht aus den Augen zu lassen, aber Semmes versagte – und das werde ich ihm nie verzeihen. Die Vorstellung, die er als Freund und Beschützer ablieferte, war erbärmlich. Tim mache ich keinen Vorwurf, obwohl er sehen konnte, dass sich da irgendwelche abstruse Scheiße zusammenbraute. Tim durchschaute die Situation und erkannte, dass sie Ähnlichkeit mit dem Gesellschaftsspiel »Reise nach Jerusalem« hatte.
     
     
    Mein ganzer Rückhalt brach zusammen, als die beiden Schweinehunde mich mit der Zeugin allein ließen. Als Semmes aufstand, sagte ich: »Verflucht noch mal, du hast doch ein Date mit ihr. Was denkst du dir? Was soll das heißen, du haust jetzt ab?« Aber er stand einfach auf und verschwand. Er war schon vor geraumer Weile weggedöst. Tim, dem es nicht gelungen war, den Verstärker zu reparieren, wollte auch gerade gehen. Ich sagte: »Tim, du musst diese Frau irgendwohin schaffen. Du musst sie mitnehmen und …« Aber das konnte er nicht. »Nein, nein, nein«, sagte er. »Carol Ann würde mich umbringen.« Das stimmte natürlich – aber ich hatte ja nur gemeint, er möge sie in seinem Wagen zur Tavern mitnehmen. Ich selbst konnte sie nirgends hinbringen. Sie war sehr aufdringlich, mischte sich penetrant in Gespräche anderer Leute
ein und bildete sich auch noch ein, diese amüsierten sich über ihr Gebrabbel – in der Beziehung wirkte sie fast wie ein Profi. Man hätte meinen können, dass sie in diesem Job bereits Übung besaß. Sie verhielt sich ein bisschen wie ein Cop.
    Später hat sie den Cops erläutert, wieso sie wusste, dass wir Drogensüchtige waren: Weil wir sie nämlich immer wieder fragten: »Und Sie sind wirklich kein Cop?« Ich hab sie eigentlich nie für einen Cop gehalten … und das beweist ja wohl, wie blöde ich war. Ich hielt sie einfach nur für eine weitere taube Nuss, für ein Groupie unter vielen, wenn auch ein ungewöhnlich zielstrebiges.
     
     
    Ich hatte gerade Cranberrysaft mit Tequila gemischt, weil uns der Margarita-Mix ausgegangen war. Das war in etwa meine Stimmung: Gönnen wir uns doch jetzt mal ein paar Margaritas . Und sie – diese Schnapsdrossel – haute die Dinger weg wie nichts. Na ja, das taten wir alle, ohne Zweifel, denn darum ging es ja. Ein paar Margaritas zur Feier des Tages … wir hatten so ungefähr die dritte Füllung im Mixer oder auch die vierte, wenn nicht gar die fünfte, als wir auf Preiselbeersaft umstiegen und sie immer lauter und geiler wurde. Sie machte Cat ganz unverblümt an und fragte zum Beispiel: »Wie steht denn Hunter zu dir?« Sie packte mich und sagte: »Wer ist die Kleine? Was hat sie hier zu suchen? Wir können die hier nicht brauchen.«
    Kurz nachdem Tim gegangen war, nahm ich das Telefon zur Hand und sagte zur Zeugin: »Verdammt, rufen wir endlich ein Taxi für Sie.« Als ich das »T« von 925-TAXI wählte, kam sie auf mich losgestürzt und hämmerte den Hörer auf die Gabel. Schnell und völlig überraschend kam sie aus ungefähr zwei Metern Entfernung angehechtet, erstaunlich agil für ein Rhinozeros.
    »Oh nein, lassen Sie es bitte nicht so enden«, flehte sie. »Sie waren doch immer mein großer Held.« Ich wies sie schroff zurück. Sie hatte hier nichts zu suchen. Ich hatte sie nicht im Geringsten ermuntert.
    Ich versuchte zum zweiten Mal, ein Taxi zu rufen. Sofort ließ sie ihren behaarten Arm wie ein Tentakel vorschnellen, um den Hörer an sich zu reißen und aufzulegen, und ich war geschockt, dass sich jemand so was anmaßte. Ich brüllte sie an: »Verpiss dich!«, und ich glaube, Cat hat sie dann in Schach gehalten. Das war die zweite Attacke; insgesamt stürzte sie sich dreimal aufs Telefon. Beim zweiten Mal bekam der Taxichauffeur etwas von dem Tohuwabohu mit. Später mussten wir ihn dazu bringen, eine Zeugenaussage zu machen. Aber nachzuweisen, dass ich angerufen und sie dann die Verbindung unterbrochen hatte, erwies sich als verdammt kompliziert.
    Sie wurde zweimal verwarnt, aber beim dritten Versuch hatte sie dann so ziemlich freie Bahn. Ich versuchte verzweifelt, zum Taxiunternehmen durchzukommen. Ich konnte sie auf mich zustürzen sehen, als ich wieder zu wählen anfing; diesmal war ich gerade dabei aufzustehen. Als sie auf mich losstürmte, knallte sie mit der Hüfte gegen das Schneidebrett, und der

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