Königreich der Angst: Aus dem Leben des letzten amerikanischen Rebellen (German Edition)
diesem Gebiet. Ich stellte meine eigene Top-Ten-Liste zusammen, und die Gebrüder Mitchell waren nicht drauf. Unter anderem war es das, was ich Jim (dem älteren Bruder) sagte, als ich ihn an einem Herbstabend anrief.
»Sie wollen reden?«, fragte er. »Gut. Wir unterhalten uns
achtundvierzig Stunden lang. Sie sind unser Gast. Steigen Sie einfach in einen Flieger.«
Junge, Junge. Solche Angebote bekommt man nicht oft – achtundvierzig Stunden am Stück, sozusagen als Horsd’œuvre, Auge in Auge mit den verruchten Gebrüdern Mitchell.
»Wir wissen, wer Sie sind, Doc«, sagte er. »Normalerweise geben wir keine Interviews – aber in Ihrem Fall bewilligen wir achtundvierzig Stunden, denn wie man so hört, sind Sie einer von uns.«
Ich hab das alles auf Band. Ich hab alles aufgenommen – von den ersten obermachomäßigen telefonischen Absprachen über unsere total abgefahrene Begegnung auf dem Flughafen von San Francisco bis zu gebrochenen Knochen und Wahnwitz und Limousinen voller nackter Frauen und hemmungslosen Orgien im Miyako Hotel, wo ich auf einem Gepäckwagen durch die Lobby geschoben wurde und die Leute irgendwo in weiter Ferne schrien, und wie dann die Fahrt den Korridor hinunter weiterging in Richtung meiner Suite mit dem tiefen grünen Wasserbottich und den Bambuswänden und den seltsamen Frauen im Bad, die ihre Nippel mit Lippenstift anmalten …
Uuups, schon wieder.
Aber was soll’s? Irgendwo muss ich mit diesem Memo doch landen – warum also nicht bei dir?
Ja, warum eigentlich nicht? Eine grauenvolle Aneinanderreihung von sechs (6) wahnsinnig vertrackten Konflikten mit dem Gesetz – ganz plötzlich Krieg an allen Fronten: offener Behälter mit alkoholischen Getränken (arbeitsbezogen), rote Ampel (dito), Maria fährt zwei Mietwagen von National am Flughafen von Oakland zu Schrott, HST wird von Sausalito-Polizei bestohlen, HST, der drei Neger auf einer Auffahrtrampe in der Nähe der Hall of Justice anfährt … üble Schadenersatzforderungen; après moi le déluge … Mr. Wrench, Boz Scaggs und Diane Dodge kennen gelernt … Versicherungsansprüche und Fahrschule, Risiko ohne Ende. DER RICHTER HAT ES SICH ANDERS ÜBERLEGT.
Hunderte von Stunden, Tausende von Dollars, Lichtjahre verzweifelter Vorsicht …
Sogar Bondock wurde konsultiert: die besten Köpfe unserer Generation, involviert in die wunderlichen Launen einer verantwortungslosen Rechtsprechung. So erklärte ich es Joe Freitas – »Sie waren einmal der D.A. in dieser Stadt«, sagte ich zu ihm. »Mehr brauche ich gar nicht zu wissen.«
Wäre Joe noch immer der Bezirksstaatsanwalt, würde ich dreißig Tage gemeinnützigen Dienst abreißen, und er käme ab und zu mit einer Flasche Absinth zu Besuch und hörte sich in seinem Büro nach Marias Telefonnummer in Phoenix um.
Ich hab dich vor Liberalen gewarnt …
Es war eine irrwitzige Zeit. Nicht viele Menschen hätten eine solche Serie von Schocks verdauen und am Ende noch denken können: »Ja, wir sind Champions.« Wenn der Große Abrechner kommt, um die Bilanz deines Lebens zu ziehen, wird er mich um Rat fragen …
Und ich werde ihm von vielen Dingen berichten – bis in die letzte Einzelheit. Das bin ich dir schuldig …
Daher werde ich ihm von Leonard Louie erzählen und davon, wie du den aberwitzigen Mumm aufbrachtest, mich am Abend vor dem ersten Prozess gnadenlos mit Andre zu konfrontieren, und auch von dem jenseitigen Wahnsinn, in dem wir versanken, als dieser Witzbold von Chinamann es sich anders überlegte …
… und davon, wie ich meinen 86 $-Scheck vom Gerichtsdiener in Sausalito zurückbekam, nachdem ich mich durch meine Sekretärin schuldig bekannt hatte … und von dem Horror einer Karambolage, nachdem wir stockbesoffen mit Tempo fünfzehn eine rote Ampel missachtet hatten …
Und von dem Tag, als die Bullen meine hübsch gravierte Luftpistole stahlen, weil Al Green, mein Nachbar, sich beschwert hatte.
Okay. Ich möchte dich wegen dieser und anderer Angelegenheiten kontaktieren, und wenn ich bis dahin mit dem Großen Abrechner sprechen sollte, wie es von Zeit zu Zeit geschieht, kannst du deine drei Augen darauf verwetten, dass ich ihm berichten werde, wie du mich eines Morgens aus meinem glückseligen Schlaf in 16 Alexander gerissen und geprügelt hast, um mich – und die arme unschuldige Maria – im kalten grauen Nebel auf einem fünf Meter langen Boston Whaler irgendwo in haiverseuchte Gewässer nördlich der Farallon Islands zu
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