Königreich der Angst: Aus dem Leben des letzten amerikanischen Rebellen (German Edition)
kein Mangel an unverbrauchten Talenten, und nackt vor der Kamera zu posieren ist immer weniger verpönt. Die Grenze zwischen Joan Collins und Marilyn Chambers ist inzwischen kaum mehr wahrzunehmen, und heutzutage kann kaum noch jemand, dem man auf der Straße begegnet, zwischen Jane Fonda im Trikot und Vanessa Williams in Ketten unterscheiden.
Ich kann es. Aber das ist eine andere Geschichte, und es würde eine Weile dauern, es zu erklären. Wir haben es hier mit einem
seltsamen Widerspruch im sozialen Gefüge zu tun; wir leben in einer Zeit, da nicht nur der neue Justizminister der Vereinigten Staaten und der Präsident der Vereinigten Staaten und die Frau des Präsidenten und der Lieblingspfarrer des Präsidenten zusammen mit der »moralischen Mehrheit« und die militanten Feministinnen und der TV Guide ebenso wie der mürrische, hirnlose Fettwanst von Filialleiter des 7-Eleven-Supermarkts in Vernal, Utah, der um keinen Preis der Welt bereit war, mir eine Ausgabe des Playboy zu verkaufen & drohte, mich verhaften zu lassen, sollte ich mich nach dem Grund dafür erkundigen …
… in einer Zeit also, da all diese mächtigen Menschen und großen Institutionen und Legionen gemeingefährlicher Trottel, die ohne Schlaf auskommen und Überstunden machen, um die letzten Überbleibsel dessen zu zerschmettern und auszumerzen, was sich in den sechziger und siebziger Jahren als »Sexuelle Revolution« angeblich der Nation bemächtigt haben soll … und in einer Zeit, da sie allem Anschein nach mit ihrem Kreuzzug in der Öffentlichkeit ernst zu nehmende Erfolge feiern.
Es ist jedoch gleichzeitig eine Epoche der Vitalität, des Wachstums und der Profite für die amerikanische Sexindustrie. Die Geschäfte liefen nie besser. Ein Alki aus Texas machte sein Vermögen damit, Ben-Wa-Kugeln zu verkaufen. Inzwischen ist er Multimillionär und wird in den wichtigsten Wirtschaftsmagazinen erwähnt. Er meidet die Öffentlichkeit und lebt allein in der Wüste. Frauen schreiben ihm Briefe, aber mit Frauen hat er noch nie so recht Glück gehabt. Er hat keine Freunde und wird auch nie Erben haben, aber er ist reich und wird immer reicher. Einer seiner Bevollmächtigten, der ihn kürzlich besuchte, nannte ihn »abgedrehter als Howard Hughes«.
Die meisten solcher Geschichten geraten nicht an die Öffentlichkeit. Niemand weiß zum Beispiel, wer das Patent auf den penisförmigen Weichplastikvibrator hält, der in den einschlägigen Geschäften auf der ganzen Welt für 9 Dollar 95 zu haben ist. In San Francisco gibt es Läden, die tagtäglich hundert Stück davon
absetzen. Als ich den Verkäufer fragte, der nachts im Sexshop »Frenchy’s« in San Francisco arbeitete, wer denn die Dildo-Konzession besaß und die Lizenzgebühren einsackte, sagte er, das sei ein älterer Neger, ein Gentleman aus Los Angeles. »Wir kennen ihn seit Jahren«, fügte er hinzu, »aber das Patent hat er nie erwähnt. Er kommt jede Woche in einem grünen Mercedes-Kombi und lässt fünf oder sechs Kartons mit Dildos hier – manchmal auch neun oder zehn. Ein guter Geschäftspartner. Wir wissen nichts von ihm.«
So läuft es im Sexbusiness, dessen Umsatz – ohne dass es jemand bestreitet, der mit dieser Branche zu tun hat, ob pro oder contra – auf acht bis zehn Milliarden Dollar allein in Amerika geschätzt wird. Die wahren Zahlen sind wahrscheinlich höher, aber das interessiert letztlich nur den IRS. Zehn Milliarden Dollar im Jahr würden so ungefähr den Einnahmen von Coca-Cola, Hershey und McDonald’s zusammen entsprechen.
In den meisten Nächten ist im Politikgeschäft nicht viel los, aber das war anders in der Nacht, als wir Al Goldstein auf dem nassen Teppichboden außerhalb des Ultra-Rooms auspeitschten. Es war eine kurze und grausame Szene, ein erhebliches Problem für den Nachtmanager. Es war die erste echte Bewährungsprobe für meine Fähigkeiten als Krisenmanager, und ich stellte mich ihr auf meine Weise.
Die unmittelbaren Folgen waren verheerend. Es war so übel, dass am nächsten Tag auf der Straße nicht einmal Gerüchte kursierten. Jeder Tumult größeren Ausmaßes im O’Farrell Theatre ist für den Kolumnisten Herb Caen normalerweise ein gefundenes Fressen und einen Seitenhieb wert, oder es folgen zumindest einige warnende Anrufe aus dem Büro des Bezirksstaatsanwalts – nicht so in diesem Fall. Niemand wollte damit zu tun haben, mich eingeschlossen.
Doch am nächsten Morgen wies man mir die Schuld an allem
zu, was geschehen
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