Königreich der Angst: Aus dem Leben des letzten amerikanischen Rebellen (German Edition)
taub, aber ich bin auch klüger geworden. Ich bin jetzt auf andere Art weise.« Er grinste geistesabwesend und reichte mir die Hand.
»War mir ein Vergnügen«, sagte ich. »Als Doktor ist das ja schließlich mein Job.«
Die Invasion auf Grenada
Probelauf für Panama und Afghanistan …
Sprungbrett für den Irak und Korea –
ein Blick auf die neue Weltordnung in Aktion …
Warum auch nicht? Hitler hatte Spanien, wir haben Grenada …
Ich glaube, dass die Regierung nicht nur ein Recht, sondern sogar die Pflicht hat, die Menschen zu belügen.
Jody Powell, Nightline (ABC News), 26. Oktober 1983
In diesen Tagen begegnet man einigen interessanten Verhaltensweisen, und das nicht nur bei Fremden. Alte Freunde rufen mich
spätabends aus Orten wie Nassau und New York und Bangkok an und ereifern sich wütend über Selbstmordattentäter im Libanon. Sie rufen mich aus dem Blue Lagoon Yacht Club auf der Südseite von St. Vincent an und wollen große Boote vermieten, mit denen man die Blockade um die Kriegszone von Grenada durchbrechen könne, die nur hundert Meilen entfernt ist. Ich bekomme R-Gespräche aus Miami und aus Gefangenenlagern der Regierung, in denen ich gefragt werde, wen man wählen solle. Der Hausmeister der Woody Creek Tavern möchte zu den US-Marines und seinen Lebensunterhalt damit verdienen, dass er Ausländer kaltmacht.
»Die stellen doch immer diese Mini-Trupps aus zwei Kumpeln zusammen«, sagte er. »Wir beide könnten uns also zusammentun und für den Einsatz in der Karibik melden.«
»Oder für den Libanon«, sagte ich. »Überallhin, wo es Strände gibt.«
Er zuckte die Achseln. Der Unterschied zwischen Libanon und Grenada war ihm nicht präsent. Er wollte einfach nur, dass was abging. Er war drogenabhängig und nicht ausgelastet.
Fünf Jahre in einem Wohnwagenpark am äußersten Rand des Jet-Set-Lebens waren ihm nicht bekommen. Seine Zähne waren faulig, seine Augen tränten, und er war zu alt, um von den Marines angenommen zu werden. Aber er klang begeistert. Gegen Abend in der Tavern stand er gewöhnlich mit den Cowboys an der Bar und sah sich die Kriegsnachrichten im Network-Fernsehen an. Dabei weinte er ungeniert und ließ seine Knöchel knacken, wenn Dan Rather Kampfhandlungen in Grenada beschrieb, schilderte, wie Ledernacken landeten, Palmen explodierten, wie die Einheimischen in Deckung rannten und die Hubschrauber gegen zerklüftete Berghänge prallten.
Neulich rief ich den Blue Lagoon Yacht Club auf der Südseite von St.Vincent an und fragte nach Mr. Kidd, dem Manager. Ein fremder
Mann kam an den Apparat und sagte, Mr. Kidd sei für eine Weile nach Barbados gereist, und zwar mit einigen Leuten von der CIA. Na ja, dachte ich, warum auch nicht? Früher oder später werden wir alle für die Jungs arbeiten.
»Also, was machen wir?«, sagte ich. »Ich brauche ein Boot. Wer ist denn bei euch zuständig?«
»Ich«, erwiderte er. »Aber wir haben keine Boote, und Mr. Kidd ist nicht da.«
»Ich brauche morgen ein Boot«, sagte ich. »Für eine Woche, nach Grenada.«
»Nach Grenada?«, sagte er. »In den Krieg?«
»Stimmt genau«, sagte ich. »Ich brauche was Schnelles, so um die fünfzehn Meter lang, mit Radar und Funkgerät. Ich hab jede Menge Geld, und Mr. Kidd kennt mich gut.«
»Das ist völlig egal«, sagte er. »Mr. Kidd ist jedenfalls nicht da.«
»Wann erwarten Sie ihn zurück?«, fragte ich.
»Vielleicht kommt er nie wieder«, antwortete er.
»Was?«, sagte ich. »Was ist denn los mit ihm?«
»Ich weiß nicht«, erwiderte er. »Er ist in den Krieg gezogen. Vielleicht ist er schon tot.« Er hielt inne und schien auf eine Reaktion von mir zu warten. Aber ich dachte nach.
»Hier in der Gegend ist plötzlich die Hölle los«, sagte er schließlich. »Das wissen Sie ja wohl, oder?«
»Ja«, sagte ich. »Das weiß ich.«
»Es geht um dicke Geschäfte«, sagte er. »Mr. Kidd hat sogar sein eigenes Boot verkauft. Die haben Seesäcke voller Hundert-Dollar-Scheine angeschleppt. So viel Geld auf einem Haufen hab ich noch nie gesehen.«
»Okay«, sagte ich. »Könnte ich dann vielleicht irgendein Flugzeug bei Ihnen chartern?«
Es folgte eine weitere Pause, und dann lachte er.
»Okay«, sagte er. »Geben Sie mir eine Telefonnummer, dann melde ich mich bei Ihnen.«
Aber sicher doch, dachte ich, du betrügerischer Trunkenbold. Irgendwie hörte sich der Mann merkwürdig an. Ich sagte, ich sei auf dem Flughafen in Dallas, müsse meinen Anschlussflug kriegen und
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