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Königsallee: Roman (German Edition)

Königsallee: Roman (German Edition)

Titel: Königsallee: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Pleschinski
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gelten.
    «Meine Arbeitszeit ist vormittags, morgens. – Auf Reisen gerät leider vieles durcheinander. Ich bin gewohnt, im Zimmer zu arbeiten. Offener Himmel, obendrein Sonne, meine ich, zerfasert die Gedanken.»
    «Ah ja, also kein Impressionist.»
    «Diktieren widerstrebt mir. Ich kann kein menschliches Medium brauchen. Es lenkt ab.»
    «Hhmm. Nichts Menschliches.»
    «Ich sprach vom Medium.»
    Von Auskünften in dieser Richtung hatte Erika des öfteren abgeraten. Das Publikum, das seinen eigenen Trott überspielen wollte, gierte nach jedweder menschlichen Verstrickung anderer.
    «Ich habe niemals ein größeres Manuskript abgeschrieben oder abschreiben lassen. Die deutschen Setzer sind mit meiner Urhandschrift gut fertiggeworden, ohne Ausnahme. Bei der Konzeption von Werken, wonach Sie vielleicht auch fragen, täusche ich mich vor allen Dingen über den Umfang. Der Tod in Venedig war als Simplicissimus-Novellchen, Der Zauberberg als kleines Satyrspiel dazu gedacht. Das Anschwellen der Komposition beruht auf einem doppelten Vorgang, falls ich das erwähnen soll?»
    «Darum bitte ich gar sehr», mit dem Block auf ihrem Schoß schrieb, kritzelte sie mit.
    «Es handelt sich um einen Bohrungsprozeß und ein Ankristallisieren und Einbezogenwerden von außen.»
    «Ah ja.»
    «Der tiefste Grund dafür mag das Begehren sein, mich jedesmal, sei es beim Faustus oder bei der Betrogenen , ganz zu geben. Ich empfinde mein Werk als fragmentarisch.»
    «Das schmerzt gewiß.»
    «Das ist unser Los. Und als unzulänglich.»
    «Nun, nun, Herr Doktor Mann.»
    «Die Verse August von Platens:
    Nie kann der Mensch, wieviel er auch vollende,
Wie kühn er sei, sich zeigen als ein Ganzes,
Und was er ausführt, gleicht es nicht am Ende
Zerstreuten Blumen eines großen Kranzes?
    Diese Verse haben mir immer ans Herz gegriffen. Der Kampf um Vollständigkeit ist wahrscheinlich nichts anderes als Todesangst.»
    Katia Mann schürzte die Lippen. Beiden gegenüber war nur Schreibkratzen zu hören. Fräulein Kückebein blickte schweißgepudert auf, sehr ernst. In diesem Moment hätte man sich der kräftig Gedrungenen, die gewiß selbst genug von Tod, von bemessenem Lebenskampf wußte, vollkommen anvertrauen können. Mit der verstreuten Auskunft: «Ich stamme aus Bad Oldesloe. Aber aufgewachsen bin ich in der Beckergrube», vertrieb sie ein wenig die Todesschwaden. Ihre Erwähnung von Wachstum in der Altstadt, gar nicht weit vom mittlerweile berühmten, wenngleich zerbombten Haus der Senatorenfamilie, verwirrte einigermaßen. Aber wahrlich eine Landsfrau.
    «Warum», lächelte sie, «werden Ihre Bücher viel gelesen?»
    Thomas Mann stützte das Kinn auf die Hand mit der sich emporschlängelnden Tabakfahne. «Auf erträgliche Art von sich selbst und seinem Schicksal, von seinem sogenannten Erfolg und dessen Gründen zu sprechen, das ist eine Aufgabe, der kalten Bluts schwerlich jemand gewachsen ist … Ich bekunde, daß jeder Künstler genau das macht, was er ist, was seinem Urteil und Bedürfnis entspricht. Ein unehrliches Künstlertum, das von steter Aufmerksamkeit begleitet wäre, gibt es nicht. Was Buddenbrooks betrifft, sozusagen unser Stadtbuch, mein Fräulein, so läßt sich auf sein Schicksal menschlich-zwanglos beziehen, was Goethe vom Werther sagt: Der Genius hat ihn angetrieben, in vermögender Jugendzeit das Nächstvergangene festzuhalten, zu schildern und kühn genug zur günstigen Stunde auszustellen. Ich habe allerdings immer Neues versucht. Alles in allem, der Erfolg ist ein Accidens, von dem unter Künstlern nicht die Rede sein sollte, da er nichts beweist, weder für noch gegen. Ein letztes Mal, Sie gestatten, möchte ich Platen, den formvollendeten Schmerzensmann, aufrufen:
    Tausend und tausend Geschenke verteilt an die Menschen das Schicksal,
Während es mir nichts gab, außer die Gabe des Worts;
Doch mit dem einzigen Pfunde verstand ich zu wuchern und schuf mir
Freunde, Genuß, Freiheit, Name und einiges Gut.»
    Die beiden Frauen wechselten einen kühlen Blick. Von Ehe und schwieriger Häuslichkeit war in den Versen nicht auffällig die Rede. Allerdings auch nicht von geringster alltäglicher Begabung. Wie man wußte, konnte Thomas Mann kaum ein Gartentor schließen.
    «Sie loben, preisen andere Dichter.»
    «Warum nicht? Sie befruchten uns. Nicht jeder.»
    «Thomas Mann, die Magie des Wortes, als deren Meister Sie gelten –»
    «Wieso gelten?» hakte Katia Mann nach.
    «Deren Meister Sie sind, ein bestimmter Wohllaut,

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