Königsallee
sich an kaum etwas erinnern.«
»Muss ein Traum für Vergewaltiger sein«, sagte die brünette Kollegin aus der K-Wache.
»Richtig. Laut LKA häuften sich in den letzten Jahren diesbezügliche Meldungen. In den Staaten spricht man von der date rape drug Nummer eins. Unsere Giftler vom KK 34 haben allerdings noch keine Anzeigen vorliegen. Das Problem ist offenbar, dass die Opfer aus falscher Scham nicht zu uns kommen. Und wenn sie es doch tun, fällt der Nachweis schwer, denn im lebenden Körper ist GHB im Unterschied zu klassischen K.-o.-Tropfen wie Rohypnol nach zwölf Stunden abgebaut.«
»Und die Richtertochter …«
»Wir wissen, dass sie im Lauf des Samstags Alkohol getrunken hat. In Verbindung damit führt Liquid Ecstasy schnell zu Krämpfen, Atemlähmung und Herzstillstand.«
»Also kein Mord, sondern ein Unfall?«, mischte sich Reuter ein.
»Ich glaube nicht, dass Henrike Andermatt das Zeug freiwillig geschluckt hat«, antwortete Scholz, den Blickkontakt vermeidend. »Jedenfalls nicht in der Dosierung, von der Anna berichtet hat. Ihr erinnert euch, dass die Gläser im Hotelzimmer Saft und Wasser enthielten, aber keinen Alkohol? Unser hiesiges Partyvolk ist sich offenbar der Risiken bewusst.«
»Klingt, als wäre die Droge ein echter Hit«, sagte Anna Winkler.
»Ja, und mit dem Verkauf vervielfachen die Partymacher ihren Gewinn.«
Womit wir bei Robby und Sascha wären, dachte Reuter.
Als die Sitzung beendet war, sprach er Scholz an. Es fiel ihm schwer. Nur weil er nicht der korrupte Maulwurf gewesen war, brauchte der alte Sack ihm noch lange nicht sympathisch zu sein, fand Reuter.
»Was willst du?«, fragte Scholz und blätterte in irgendwelchen Berichten.
Reuter verstand nicht, wie man sich so gehen lassen konnte. Das Kinn des Kollegen konnte eine Rasur gebrauchen, die strähnigen Haare einen ordentlichen Schnitt. Ganz zu schweigen von dem zerknitterten Hemd.
Er räusperte sich. »Ich muss mich entschuldigen.«
»Ach.«
»Die Beweismittel, die vor einem Jahr verschwanden, sind wieder aufgetaucht. Es war Michael Koch. Du kennst ihn aus dem KK 22.«
Scholz sah Reuter zum ersten Mal in die Augen. Dann wandte er sich um und rief: »Hört mal alle her! Kollege Reuter hat uns etwas mitzuteilen.«
Ein halbes Dutzend Kollegen waren noch im Raum, darunter MK-Leiter Becker, Anna Winkler, der dicke Wiesinger und die Brünette aus der K-Wache. Sie alle blickten erwartungsvoll herüber.
Scholz grinste und wippte auf den Zehen – offenbar hatte der Scheißkerl Spaß daran, ihn öffentlich zu demütigen. Reuter versuchte, das Beste daraus zu machen.
»Ich weiß noch nicht, was das mit unserem doppelten Mordfall zu tun hat, aber Michael Koch, ein Kollege aus dem KK 22, ist gestern abgetaucht, nachdem ich ihm von der Verwicklung unseres Informanten Marthau in den Kunstraub und von dem Überfall auf meinen Bruder berichtet hatte. Mit der Zustimmung seiner Frau habe ich mich heute Nachmittag in Kochs Arbeitszimmer umgesehen und bin auf die Beweismittel gestoßen, die während des Drogenprozesses gegen den Diskobesitzer Manfred Böhr abhandengekommen waren.«
»Das heißt …«, sagte Scholz erwartungsvoll.
»Das heißt, dass nicht Norbert die Datenträger mit den belastenden Telefonaten beseitigt hat, sondern offenbar Kollege Koch.«
»Gratuliere, Norbert«, sagte Becker. »Weiß es schon der Kripochef?«
»Ja«, gab Reuter zur Antwort.
Scholz schien um ein paar Zentimeter gewachsen zu sein.
»Zufrieden?«, zischte Reuter.
»Noch lange nicht.«
54.
Wegmann hatte sich noch immer nicht blicken lassen. Reuter setzte sich an ein Telefon und wählte die Handynummer des Exboxers. Nach dem dritten Klingeln sprang dessen Mailbox an. Reuter hinterließ die Bitte um Rückruf.
Um die Wartezeit zu überbrücken, rief er Marion an.
»Koch.«
»Jan hier. Hat Michael sich gemeldet?«
»Nein, noch nicht. Das Auto, das du mir gezeigt hast, ist dir übrigens gefolgt.«
»Ich weiß. Wie geht es dir?«
»Ich versuche, nicht nachzudenken. Die Gartenarbeit hilft mir dabei.«
»Falls Michael zu dir Kontakt aufnimmt …«
»Ja?«
»Sag ihm, der Kripochef bietet ihm einen Deal an. Umfassende Aussage gegen Verzicht auf Strafverfolgung.«
»Was bedeutet das?«
»Ein äußerst großzügiges Angebot, wie ich finde.«
»Ich werd’s ihm ausrichten.«
Reuter legte auf, besorgte sich Kaffee und erkundigte sich nach Sascha Maisel. Becker gab Auskunft: Der Türsteher war derzeit in der Stadt unterwegs, das MEK würde
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