Königsallee
Türen aus hellem Holz. An der letzten ein Messingschild mit feinen, gravierten Lettern: Kurfürsten-Suite.
Unverriegelt.
Scholz stürmte als Erster hinein. Zwei Sessel, niedriger Tisch, Küchenzeile mit Bar, eine ausgezogene Schlafcouch. Handtücher auf dem Teppich, Kondome. Zahlreiche Gläser, halb leer. Scholz schnupperte an einem. Saft, kein Alkohol.
Seltsam, dachte Scholz.
Ein leises Rascheln aus dem Nebenraum. Scholz passierte das Bad und stand im Schlafzimmer. Schummrige Beleuchtung. Scholz schaltete das Deckenlicht an.
Ein junges Pärchen unter dem Laken. Der Bursche rappelte sich auf und blinzelte. Marietta rüttelte das Mädchen wach.
»Das Bad ist leer«, rief ein Streifenbeamter von nebenan.
Ganze zwei Leute – magere Ausbeute.
»Aufstehen und anziehen, die Party ist vorbei«, erklärte Scholz.
Der Bursche kratzte sich am Hals. »Wer seid ihr?«
»Die Spaßverderber vom Dienst. Ausweis, bitte!«
Die Uniformierten drängten herein. Der junge Mann erschrak. Er kletterte aus dem Bett, fand seine Unterhose, stolperte beim Versuch, sie anzuziehen, und schlug hin.
Scholz ließ ihm Zeit. Der Junge kam hoch, fingerte sein Portemonnaie aus der Jeans und wurde immer hektischer, während er darin kramte.
Das Mädchen saß auf der Bettkante und starrte mit großen Augen vor sich hin. Ihre mittellangen Haare waren blond mit violett gefärbten Strähnen, die Wimpern fast farblos. Sommersprossen von der Stirn bis zu den Brüsten.
Ein Kollege bemerkte: »Den Einsatz haben wir uns lebhafter vorgestellt.«
»Habt ihr irgendwas gefunden, was unter das Betäubungsmittelgesetz fällt?«
Kopfschütteln.
»Danke trotzdem«, sagte Scholz.
Die Uniformierten schoben ab.
Der Typ mit dem pickligen Hals hatte endlich seinen Ausweis gefunden. Scholz nahm ihn entgegen. Marietta sprach die Kleine an, die im Tempo einer Schlafwandlerin reagierte.
Scholz packte ihren Arm: keine Einstiche, keine entzündeten Stellen. »Was sind das für Drogen, unter denen du stehst?«
Ihr Freund drehte sich weg, an den Knöpfen seines Hemds nestelnd.
»Verstehst du, was ich sage?«
»Aufstehen, anziehen, die Party ist vorbei«, plapperte das Mädchen.
Marietta verdrehte die Augen.
Die Klamotten auf dem Sessel konnten nur die des Mädchens sein. Scholz fand den Personalausweis. Er überflog die Daten. Immerhin volljährig. »Frierst du nicht?« Scholz warf dem Mädel die Klamotten zu. »Kennt einer von euch beiden Robert Marthau?«
Der Typ schüttelte den Kopf.
Im Blick des Mädchens regte sich etwas. Allmählich wird sie klarer in der Birne, erkannte Scholz. Ihm fiel ein, was er tun konnte, bis sie reflektierte Antworten geben konnte: die Gläser im vorderen Raum einstäuben, Fingerspuren sichern, die Reste sichern – vielleicht konnte das Labor damit etwas anfangen.
Irgendetwas hatten die beiden jungen Leute genommen, zumindest die Kleine mit den lila Strähnen.
20.
Wegmann packte den Tatortkoffer in den Omega, den die Fahrbereitschaft für die Mordkommission bereithielt, und fragte: »Dienstrang?«
»KOK.«
»Ich auch, dann fahren wir abwechselnd.« Wegmann setzte sich hinter das Steuer und ließ den Motor an. »Was meinte Thilo mit den heißen Blicken?«
»Vergiss es.«
»Du darfst mir alles anvertrauen. Wir sind jetzt Partner. Du kennst die Frau?«
Reuter erzählte ihm von der Begegnung im Hotel bei Moers. Die Radiopraktikantin in Begleitung des Türstehers. Er fügte hinzu: »Ich glaube nicht, dass sie die Täterin ist. Pulver und Schmauch gelangen nicht nur in die Schusshand oder die Haut des Opfers. Ich war mal auf einem Lehrgang. Dort hieß es, die Partikel fliegen bis zu siebzig Zentimeter weit. Lena braucht nur zufällig die Hand in Richtung der Waffenmündung bewegt zu haben. Eine Abwehrgeste zum Beispiel.«
»Du nennst sie Lena?« Es lag etwas Lauerndes in Wegmanns Blick.
»Ihr Pseudonym. Unter dem Namen habe ich sie kennengelernt.«
»Gib zu, du hast sie mal bei einer dieser Partys …« Der Kollege machte Geräusche, die wie das Quietschen einer Matratze klangen.
Reuter zog es vor zu schweigen. Er wollte es sich nicht mit dem Kollegen verderben. Nicht schon jetzt.
Am Ende des Südrings erreichten sie die Schnellstraße. Die Ampeln an den Kreuzungen blinkten gelb – freie Bahn. Marthaus Wohnung befand sich im Stadtteil Reisholz.
»Wir sollten einen Schlüsseldienst verständigen«, schlug Reuter vor.
»Nicht nötig. Ich hab meine Tools dabei. Lockpicking, verstehst du?«
»Im Nebenjob
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