Königsallee
Einbrecher?«
»Nur platonisch. Ich war sogar vereinsmäßig organisiert.«
»Ein Boxer mit Hang zur Filigranarbeit?«
Wegmann lachte.
Sie bogen ab und kreuzten durch ein Wohngebiet. Über den Dächern ragten die Schornsteine der Henkel-Werke auf, schwarze Säulen vor dem Widerschein der Stadt, dicke Wolken ausstoßend und markiert mit roten Lichtern.
Reuter bemerkte: »Der Täter könnte annehmen, sie wüsste etwas über ihn.«
»Und ob sie was weiß. Darauf kannst du deine Dienstmarke verwetten.«
»Ich meine, der Täter könnte sie noch im Visier haben. Vielleicht schwebt sie in Gefahr.«
»Was glaubst du, Kollege: Warum, zum Teufel, gibt sich die schöne Tochter von Richter Gnadenlos mit Türstehern ab?«
»Statt mit einem wie dir«, entgegnete Reuter.
»Zum Beispiel.« Wegmann zwinkerte.
Sie rollten am Chemiewerk vorbei. Reuter knipste die Innenbeleuchtung an, nahm den Stadtplan zur Hand und dirigierte seinen Kollegen durch das schlecht beleuchtete Arbeiterviertel, bis sie das Haus erreichten, in dem Robby gewohnt hatte.
Sie stiegen aus. Wegmann angelte sich den Koffer vom Rücksitz. Reuter fror und er war hundemüde.
Wenn das Gebäude jemals eine gute Zeit gehabt hatte, lag sie weit zurück. Schmierereien an der Wand, Hundekot auf dem Gitterrost vor dem Eingang, die Briefkästen im Hausflur demoliert. Das Treppenhauslicht flackerte und setzte gleich darauf ganz aus.
Mithilfe der Taschenlampe entzifferte Reuter einen Zettel, der im Flur klebte: Katze Angie entlaufen. Hat etwas Besseres gefunden, dachte er.
Der Lift gab keinen Mucks von sich. Sie nahmen die Treppe. Es müffelte nach Moder und Müll. Irgendwo ein lauter Fernseher. Reuter studierte die Klingelschilder. Im dritten Stock wurden sie fündig: Marthau.
Die Tür war nur angelehnt.
Wegmann wollte nach der Klinke greifen, doch Reuter hielt ihn zurück. »Deine Lockpickingtools kannst du vergessen.«
Reuter leuchtete den Holzrahmen ab: Die Verriegelung war herausgefetzt worden. Kerben am Türpfosten – eindeutig Hebelmarken.
»Nicht gerade elegant«, flüsterte Wegmann. Er zog sich auf den nächsten Treppenabsatz zurück, tippte eine Nummer in sein Telefon und verständigte leise die Jungs von der Spurensicherung.
Reuter zog seine Waffe und kreuzte die Handgelenke, auf den Lichtfleck seiner Lampe zielend. Seine Müdigkeit war wie weggefegt – Adrenalin ließ sein Herz schneller schlagen. Wegmann trat an seine Seite. Reuter stieß mit dem Pistolenlauf die Tür auf. Der Strahl der Lampe strich durch den Flur.
Tüten voller Pfandflaschen, zum Teil geplatzt oder aufgerissen. Leere Bierkästen. Ein aufgeschlitzter Müllsack, aus dem Altpapier quoll. Die Schubladen eines Schranks standen offen, der Inhalt war auf dem Boden verstreut. Schuhe, Klamotten, Anzüge.
Etwas blendete am gegenüberliegenden Ende. Eine Bewegung – es war Reuter selbst im Garderobenspiegel. Sein Partner drückte mit dem Ellbogen den Lichtschalter. Eine nackte Birne funzelte von der Decke.
»Polizei! Wir kommen jetzt rein!«
Sie drangen weiter in die Wohnung vor. Rasch kontrollierten sie Küche und das Klo. Niemand da.
Robbys Schlafzimmer: Der Vorhang bauschte sich.
Wegmann zielte. Reuter ging hin und riss den Stoff beiseite – eine gekippte Balkontür, Durchzug. Sicherheitshalber sahen sie auch im Schrank und unter dem Bett nach.
Reuter verstaute seine Waffe unter der Jacke. »Jemand ist uns zuvorgekommen«, konstatierte er. »Und war schnell wieder weg.«
Wegmann holte seinen Koffer und packte Latexhandschuhe aus. Fast unmöglich, die Dinger überzustreifen. »Small«, schnaubte der Exboxer. »Die Beschaffungsstelle hat mal wieder gespart.«
Das Zimmer war über und über mit Bildchen beklebt. Engel, diverse Heilige, immer wieder Maria, mal mit Kind, mal ohne. Kruzifixe, Kitschpostkarten, Katholikenklimbim – vielleicht hatte der Türsteher geglaubt, er könne gegen alle möglichen Gebote verstoßen und trotzdem würden ihn seine Schutzpatrone retten.
Sie stöberten. Es gab einen Computer, aber kein Festnetztelefon. Wegmann fand Fotos im Passbildformat, die Robby mit einem Mädchen zeigten. Locken umrahmten ein hübsches Gesicht. Es war Juli.
»Könnten wir gebrauchen«, sagte Wegmann und steckte die Bilder ein.
Nach einer halben Stunde gaben sie auf. Kein Tagebuch, kein Terminkalender, kein Adressbuch oder Telefonverzeichnis. Sie hatten nicht einmal erfahren, wo Juli wohnte. Das Schriftliche ist nicht Einsteins Ding gewesen, dachte Reuter.
Oder die
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