Königsberger Klopse mit Champagner (German Edition)
du noch länger meine Gastfreundschaft in Anspruch nehmen willst, musst du mir endlich sagen, warum du eigentlich gekommen bist. Wir vermuten, dass es einen ganz besonderen Grund gibt – nachdem wir uns schließlich jahrelang nicht gesehen haben.« Er heftete seine von kleinen Fältchen umgebenen graubraunen Augen in dem von Wind und Wetter gegerbten Gesicht mit einem gütigen Ausdruck auf sie. Selbst mit zweiundsiebzig sah er noch ausgesprochen attraktiv aus, ganz Kavalier alter Schule. Magdalena dachte, dass er in seiner Jugend sicher der Schwärm aller Mädchen gewesen sein musste, schlank, elegant und mit tadellosen Manieren.
»Nun?«, seine Stimme riss sie aus ihren Gedanken. »Was hast du mir dazu zu sagen?«
Magdalena schlug die Augen nieder. »Ja, es gibt einen Grund. Ich habe … mitgeholfen, Flugblätter zu verteilen«, sagte sie leise. »Wir«, sie verbesserte sich, »meine Kommilitonen in der Uni und ich, wir wollten einfach unsere freie Meinung äußern. Gegen das nationalsozialistische Regime und den Krieg – und dagegen, das man die Juden umbringt!«. Ihre Stimme wurde jetzt laut und aufgebracht, »denn das sind unsere Freunde und Mitschüler gewesen … «
»Willst du wohl still sein!«, zischte ihr Ludwig mit rotem Kopf zu und schloss das Fenster. »Du bist dir scheinbar nicht im Klaren darüber, was du mit deinem unbedachten Tun angerichtethast? Und jetzt willst du uns wohl auch noch mit in diese dumme Geschichte reißen!«
Sie holte tief Luft und schluckte ihre Erbitterung herunter. Es hatte wahrscheinlich keinen Sinn, dem Onkel Näheres zu erklären. Er verstand nicht, was sie meinte, oder wollte es nicht verstehen.
Ludwig versuchte, Ruhe zu bewahren. Nach einer Weile reichte er ihr sein blütenweißes Taschentuch und sah sie vorwurfsvoll an:
»Die Zeitungen haben über diese Geschichte geschrieben – aber nie wäre mir eingefallen, dass gerade du darin verwickelt bist!« Er stand auf und ging mit verschränkten Armen im Zimmer auf und ab. »Glaub mir, ich würde dir wirklich gerne helfen. Aber wenn ich dich bei mir beherberge, mache ich mich strafbar!«, sagte er schließlich trocken und sah sie mit hochgezogenen Augenbrauen an. »Ich muss in erster Linie an meine Familie denken, das verstehst du doch!«
»Bitte, Onkel Ludwig!«, Magdalena sah ihn flehend an. »Lass mich wenigstens so lange bleiben, bis etwas Gras über die Sache gewachsen ist. Du kannst mich doch einstellen, unter falschem Namen, als Magd, irgendwo, in der Landwirtschaft, in der Küche! Ich mache alles – niemand wird wissen, wer ich bin!«
Er wiegte den Kopf und dachte nach, während er mit unruhigen Händen seine Pfeife stopfte. »Auch im Stall?«, fragte er nach einer Weile vorsichtig. »Dort brauchen wir jemanden und dort wäre es zumindest am unauffälligsten.«
»Natürlich, wo du willst! Ich mache alles, ich schwöre es!«
»So, so! Aber noch eins: Wer ist dieser Kerl da in dem auffälligen Wagen, der dich immer abholt?« Er hielt ein brennendes Streichholz an den Tabak und paffte einige Male. »Das geht natürlich nicht so weiter, da fangen die Leute gleich an zu reden.«
»Herr Richter ist Offizier und Kriegsberichterstatter, ein Freund meines Verlobten Paul – er soll nur ein wenig auf michaufpassen!« Die Lüge ging ihr flott über die Lippen. »Ich wollte mich gut mit ihm halten. Und er hat mir wirklich sehr geholfen. Er wird mir auf jeden Fall einen falschen Pass beschaffen. Als Alma Kurz, polnische Landarbeiterin. Nur, damit ihr keine Schwierigkeiten bekommt!« Sie lächelte Ludwig an und wunderte sich über ihren Erfindungsgeist. Beim nächsten Mal würde sie Heinz tatsächlich fragen, ob er ihr ein solches Papier beschaffen könne!
Ludwig nickte bedächtig und sog an seiner Pfeife. »Gut, das klingt plausibel. Ich spreche mit Johanna darüber. Aber wie stellst du dir deine Zukunft vor? Was wirst du später tun? Du kannst dich doch nicht ewig bei uns verstecken. Du musst Deutschland verlassen!«
Magdalena erstarrte. »Meinst du das im Ernst?«
»Es tut mir leid, dass ich so etwas aussprechen muss – aber im Deutschen Reich wirst du in Zukunft mit deiner Meinung wohl allein dastehen. Wenn wir den Krieg gewonnen haben, herrscht Zucht und Ordnung!«
Wenn wir den Krieg gewonnen haben! Magdalena zog es vor, nicht zu antworten. Glaubte der Großonkel wirklich an ein solches Märchen?
»Danke!«, sagte sie stattdessen mit einem warmen Unterton und ergriff seine Hand. »Ich danke dir sehr
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