Königsberger Klopse mit Champagner (German Edition)
gefärbten Eier, Zeichen dieses heiligen Festes. Christus war auferstanden, und er wollte den Frieden auf Erden, genau wie sie selbst. Diese Botschaft schmiedete in diesen Tagen auf wundersame Weise zusammen, verwischte alle Unterschiede von Herkunft und Nationalität und machte es später umso schwerer, den Befehlen des Tötens und Kämpfens der wahnwitzigen Machthaber zu gehorchen.
»An dieses Ostern werde ich mich immer erinnern!«, sagte Paul am Nachmittag zu Tanja, neben sich einen großen Korb bunter Eier und völlig benebelt von unzähligen Gläschen selbst gebrannten Wodkas, als sie heiter und immun gegen die Kälte des Abends, im rüttelnden Panjewagen zurückfuhren. Die ganze Truppe war ausgelassen, man lachte, sang Lieder, versuchte, von Tanja vorgesprochene russische Worte zu lernen, und vergaß völlig, warum man überhaupt hierhergekommen war.
Auch Tanja dachte in diesem Moment an nichts anderes als den Augenblick, nicht an ihren Mann, den russischen Kommissar, nicht an ihre Familie und ihr einfaches Leben unter ärmlichen Bedingungen; nicht daran, was die Zukunft bringen würde. Sie spürte nur die Wärme des Armes, der sie wie selbstverständlich umfing und dass sie noch nie in ihrem Leben so glücklich und unbeschwert gewesen war wie hier mit diesen fremden, feindlichen und doch so liebenswerten Soldaten.
Vorsorglich deckte sie Paul mit dem mitgebrachten Wolfspelz zu, streichelte seine Hand, schmiegte sich an ihn und legte den Kopf an seine Brust. Durch das Gegröle der Kameraden hindurch sang sie leise mit ihrer schönen Stimme ein kleines russisches Liedchen ganz für ihn allein.
Paul wandte ihr sein Gesicht zu, und sie küssten sich, als seies das Selbstverständlichste von der Welt. Die Nacht sank langsam herab, Kühle legte sich über die noch weißen Felder und die dunklen Schatten der Bäume, denen ein würziger und zugleich frischer Duft entstieg. Es war Ostern! Und es schien, als läge etwas Unbeschreibliches in der Luft. Frieden – Erwachen – die ewige Erneuerung der alten, überlebten Welt, die hinter ihnen in Schutt und Asche sank! In diesem Augenblick wurde Paul zum ersten Mal im Leben die österliche Bedeutung der Friedensbotschaft bewusst, das Fest der Auferstehung Christi, so wie er es noch nie im Leben gekannt hatte.
Auch in den nächsten Tagen blieb es ruhig, man hörte, dass sich die Front wieder vorverlagert hatte – aber der Krieg schien irgendwie weit weg. Es taute weiter, und als das Eis auf dem kleinen See in der Nähe brüchig wurde, zogen die Altbauern, Frauen und Kinder mit Beilen und Hacken bewaffnet los und schlugen wie jedes Jahr große Löcher ins Eis, um die magere Winterkost ihrer Kohlsuppe durch fette Fische aufzubessern. Auch Kolja war eifrig bei diesen Unternehmungen dabei und hatte sich selbst eine Angel gebastelt, die er mit Abfällen bestückte. Aber am besten gelang es ihm selbst, die Fische mit einem blitzschnellen Griff ins Wasser zu packen und sie aufs Eis zu befördern. Er lachte übers ganze Gesicht, wenn sie auf der glasigen Eisfläche zappelten und hin und her glitschten. Dann musste er nur noch aufpassen, dass sie ihm nicht doch noch entkamen und sich mit einem heftigen Satz ins Wasser retteten. Den ganzen Tag verbrachte er so am See, und es war ein Spiel, bei dem er seine Geschicklichkeit immer weiter verbesserte.
Inzwischen wurde die Lage an der Woronesch-Front für die deutschen Soldaten wieder brenzliger – die Frontgrenze hatte sich erneut zu ihren Ungunsten verschoben, während die Russen unaufhaltsam weiteres Terrain zurückeroberten. Truppenverbändeder Roten Armee hatten sich bereits so weit vorgearbeitet, dass sie sich teilweise hinter der Front, das hieß im Rücken der Deutschen, befanden.
Der Befehl erging nun, allmählich die Zelte bei Ostrogosch abzubrechen und den Rückzug vorzubereiten. Alles murrte – die Moral der Truppe war ohnehin geschwächt durch den Untergang der sechsten Armee. Die Kunde von der Niederlage im nicht allzu weit entfernten, nordwestlich gelegenen Stalingrad, das Elend der eingekesselten Soldaten, zum Sterben verurteilt, erschütterte nicht nur die Soldaten, sondern die ganze Welt. Stalingrad war zu einer Totenstadt geworden, einem Friedhof des deutschen Landsers und zu einer schrecklichen Fratze blinden Gehorsams.
Nachdem Paul am Nachmittag in der Schreibstube seinen Bericht für den Kommandeur über die Frontlage beendet hatte und sich gerade auf dem blubbernden Kanonenöfchen eine Kanne heißen
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