Königsberger Klopse mit Champagner (German Edition)
Tee braute, stürzte plötzlich Tanja aufgeregt herein. Die schwarzen Haare fielen ihr ungeordnet ins rote, verzerrte Gesicht, und aus ihrem Mund entrang sich ein Schwall russischer Laute, die er nicht verstand. Sie zog krampfhaft an seinem Ärmel, um ihn zum Ausgang zu bugsieren, hinaus in den von der Frühlingssonne glitzernden Schnee, der nur langsam taute. »Kolja«, rief sie immer wieder, »dawai dawai – komm!«
»Was ist los?«, fragte er und befreite sich unwillig, »was willst du von mir?« »Kolja – Söhnchen«, schluchzte sie auf, »am Wasser …«, sie wimmerte und gestikulierte wild mit den Händen, »am See, immer er fischen … dann fallen …«, sie machte die Bewegung des Untertauchens und begann, noch lauter zu weinen. Paul warf seinen Lammfellmantel ab und lief los. Am Ufer des Sees standen aufgeregt schwatzende, russische Frauen und wiesen auf den dunklen Schatten auf der glitzernden Fläche, die die Strahlen der Sonne stärker erwärmt und damit verdünnt hatte.
Die Oberfläche des Sees war leicht überschneit, wie angezuckert, mit einem bläulichen Untergrund. Es war gefährlich, sich so weit auf den See zu wagen, doch Kolja hatte sich wie schon so oft mit einem Brett über die dickeren Schollen bis zur Mitte vorgeschoben, wo es die meisten Fische gab. Und es war immer gut gegangen – doch diesmal hatte er sich zu weit vorgebeugt und war kopfüber in das Loch im Eis gefallen. Mühsam gelang es ihm schließlich, sich halbwegs wieder auf das Brett zu ziehen, aber er schaffte es doch nicht ganz hinauf.
Aus der Ferne sah man nur seinen Kopf und Oberkörper über das Holzstück gebeugt, das auf zwei Eisschollen balancierte, oberhalb des Eisspiegels ragen. Er hielt sich fest, aber er schrie und zappelte, weil es ihm nach so vielen Versuchen immer noch nicht gelang, sich daran hochzuziehen. Das Eiswasser hatte seine Kleidung und die schwere Felljacke durchnässt, derer er sich jetzt nicht mehr entledigen konnte und die ihn wie mit unsichtbaren Kräften abwärts in die lähmende Tiefe zu ziehen drohte. Die Frauen schüttelten schaudernd den Kopf und bekreuzigten sich. Es schien hoffnungslos, an den Jungen heranzukommen. Nur sein leichtes Gewicht hatte ihn so weit hinaus über die dünne Schicht getragen – für einen Erwachsenen war es ganz und gar unmöglich, ihm zu folgen.
Paul überlegte einen Augenblick. »Halt dich fest, Kolja«, schrie er dem Jungen zu, »gib nicht auf, ich hol dich da raus!« Er rannte so schnell er konnte ins Lager zurück, riss eine dünne Blechplatte zum Verschweißen von Autoteilen aus dem Ersatzteillager, nahm eine Seilwinde aus seinem Werkzeugwagen und rannte damit so schnell er konnte zum See. Beunruhigendes Murmeln empfing ihn, während Tanja spitze Schreie ausstieß und sich in die geballten Fäuste biss. »Mein Kind, mein Junge!«, heulte sie auf, alle Heiligen um ihren Schutz und Hilfe anrufend.
Paul suchte eine ihm einigermaßen fest scheinende Stelle aus,legte sich bäuchlings auf das Blech und schob sich mit einem riskanten, heftigen Satz mit beiden Armen voran. Das Blech segelte blitzschnell über das dünne Eis, ohne einzubrechen, währenddessen er erneut anschob. Sein Gewicht belastete durch die Schnelligkeit des Gleitens die Eisfläche kaum, sondern streifte sie nur ganz kurz. Auf diese Weise rudernd, blieb er ständig in Fahrt, doch er brauchte Halt, um es zu wagen, dem Jungen das Seil zuzuwerfen. Immer in Bewegung, versuchte er, den Gedanken an die Entfernung zum Ufer zu ignorieren und nach einer dickeren Scholle Ausschau zu halten, die ihm genügend Halt geben konnte. Als er glaubte, sie gefunden zu haben und nahe genug bei dem Jungen war, erkannte er, dass es höchste Zeit war. Kolja hatte bereits blaue Lippen und sein verkrampftes Gesicht war unnatürlich weiß. Seine Augenlider flatterten, als er zu ihm hinübersah. Er hatte keine Kraft mehr zum Reden, geschweige denn zum Schreien. Lange würde der kleine, magere Körper die fortschreitende Unterkühlung nicht mehr ertragen.
»Halt durch, Kolja«, schrie er, um ihm Mut zuzusprechen. »Fang das Seil, halt dich daran fest und versuch, dich weiter auf das Brett zu ziehen.« Jetzt kam es darauf an, dass Kolja überhaupt verstand, was er meinte, denn er sprach nicht russisch und Kolja bis auf ein paar Brocken nicht deutsch. Das Seilende platschte neben dem Kind ins Wasser. Langsam, viel zu langsam streckte Kolja die Hand nach ihm aus. Er schien schon halb betäubt.
»Kolja«, schrie Paul wie
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