Königsberger Klopse mit Champagner (German Edition)
Keller gelaufen,der gerade in der Nähe war », berichtete sie. »Ich ging ihnen einfach nach, als es Alarm gab. Der Hauswart dirigierte uns die Treppe hinunter. Ich weiß nur noch, dass auf einmal ein Weinregal auf uns herabstürzte – und dann wollten alle zur gleichen Zeit hinaus. Es brannte – irgendwie bin ich dann ins Freie gelangt und weggelaufen.«
»Da haben Sie ja wirklich nochmal Schwein gehabt!« Er sah ihr forschend ins Gesicht. Selbst unter der verschmierten Rußschicht konnte man noch erkennen, was für ein hübsches Mädchen er da aufgelesen hatte. Ihr blondes, dichtes Haar hatte sich gelöst und fiel zerzaust über ihre Schultern. Sie versuchte es zu ordnen. »Irgendwo habe ich meine Spange verloren«, sagte sie ein wenig verlegen unter dem Blick des Soldaten, dessen blaue Augen unter den schwarzen Augenbrauen ihr Ruhe und Vertrauen signalisierten. »Kommen Sie nur mit mir. Wohin solls denn gehen?«
»Friedrichstraße 43 !« Sie hängte sich bei ihm ein und war froh, in diesem Moment einen stützenden Arm zu haben.
»Das ist ja nicht weit von hier. Das haben wir gleich geschafft!« Seine Stimme klang beruhigend und tröstend, und sie gingen langsam, Schritt für Schritt voran.
»So, hier wohne ich«, sagte sie erleichtert, als sie vor dem Mietshaus in der Friedrichstraße angelangt waren. »Ich danke Ihnen, sie haben mir sehr viel geholfen. Ich fühle mich schon viel besser. Mein Bruder ist auch Luftwaffenhelfer. Aber er ist noch sehr jung … viel zu jung, erst sechzehn. Wie alt sind sie eigentlich?«, fragte sie und hielt ihm die Hand hin. Er nahm ihre Hand.
»Alt genug«, sagte er nur. »Aber irgendwie hab ich mir das alles ein wenig anders vorgestellt. An die vielen Toten kann ich mich immer noch nicht gewöhnen. Hoffentlich ist der Krieg bald zu Ende.« Seine Miene hatte sich leicht verdüstert, aber sie erhellte sich gleich wieder. »Es kann ja nicht mehr lange dauern.Wie heißen Sie eigentlich? Ich bin der Willi.« Er reichte ihr die Hand. »Vielleicht sollten wir uns einmal wiedersehen? Ich meine, nur damit ich mich davon überzeugen kann, dass Sie sich von dem Schrecken gut erholt haben?«
Sie schüttelte den Kopf. »Besser nicht. Meine … meine Tante sieht es nicht gern … «, sie vervollständigte den Satz nicht, und der junge Mann senkte enttäuscht den Kopf. »Aber Ihren Namen darf ich doch wohl erfahren, oder nicht?«
»Alma, Alma Kurz!«, sagte Magdalena und drückte auf die Klingel. »Auf Wiedersehen. Und vielen Dank! Langsam fangen meine Kratzer an, ziemlich wehzutun. Meine Tante wird mich verarzten. Ich wünsche Ihnen Glück, mindestens so viel, wie ich heute hatte!« Sie drehte sich schnell um, als der Türöffner summte und lief hinein. Der Soldat sah ihr nach. Schade, dass sie keine Zeit hatte. Aber sie stand ja noch völlig unter Schock. Er sah auf die Hausnummer, dann zur Fassade des Hauses empor. Nummer 43, das musste er sich merken. Langsam schlenderte er davon. Heute würde es hoffentlich keinen Einsatz mehr geben.
Frau Lindental schlug die Hände über dem Kopf zusammen. »Um Himmels willen, was haben Sie bloß gemacht, Kind!« Eilig holte sie eine Schüssel mit Wasser, einen Lappen und ihre gut gehütete Apothekenschachtel. Sie kramte ein Fläschchen Jod hervor und betupfte die Kratzer und Abschürfungen, die Magdalena davongetragen hatte. In wenigen Worten berichtete sie ihr, was geschehen war, ließ jedoch ihren Besuch in der Praxis des Engelmachers aus.
Frau Lindental begann zu jammern und zu klagen, während sie die kleinen Wunden behandelte. »Ich verstehe das nicht! Es wird immer schlimmer in Berlin. Ein Angriff nach dem anderen. Wohin soll das bloß führen? Die ganze Stadt ist ja bereits ein halber Trümmerhaufen.«
Magdalena wusch sich in ihrem Zimmer noch einmal vonKopf bis Fuß, schrubbte sich die Rußspuren vom Körper und weichte die zerrissene Bluse sowie den Rock ein. Dann sank sie erschöpft in einen tiefen Schlaf.
In den nächsten Tagen nahm sie sich frei, um sich ein wenig von den verstörenden Erlebnissen zu erholen. Zwar gab es immer wieder Alarm, bei dem sie in den Keller mussten, aber im Großen und Ganzen wurde das Stadtviertel von größeren Einschlägen verschont. Frau Lindental erwog nun allen Ernstes, zu ihrem Bruder zu ziehen, der Witwer war und ein bescheidenes Häuschen am Rande von Berlin besaß. Ihr wurde der ständige Luftalarm, die Lebensgefahr, in der man sich unablässig befand, einfach zuviel, und sie behauptete,
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