Königsberger Klopse mit Champagner (German Edition)
übervorsichtig – sozusagen ein alter Hase?«, fragte Paul betroffen.
»Es war ungewöhnlich ruhig; er lag im Graben und wollte nach einer Weile die Lage erkunden. Darauf mussten die Russengewartet haben – ein Schuss, er stürzte und hat noch versucht, in den Graben zurück zu kriechen. Aber umsonst …«, Schmidt verzog sarkastisch den Mund, »der sogenannte Heldentod. Wir sind ja alle bloß noch Kanonenfutter.«
Paul nickte gedankenvoll, obwohl er bisher immer jeden Einsatz, auch den gefährlichsten, verteidigt hatte. Beide schwiegen und falteten dann die Hände zu einer Schweigeminute.
»Gott sei seiner Seele gnädig!«
Paul nahm die Rumflasche, füllte die Tassen zur Hälfte, schüttete Zucker hinein und goss dann heißes Wasser dazu. Schmidt nahm einen tiefen Schluck und schenkte sich noch eine ordentliche Portion Rum nach.
»Wenn es uns mal so trifft … «
»Komm, denk nicht dran, das ist besser so.«
In diesem Moment klopfte es, und Tanja erschien mit einem Wäschekorb, dessen Inhalt sie im Nebenraum in ein Regal zu ordnen begann.
»Hübsches Mädchen!«, stellte Schmidt anerkennend fest. »Da hat schon mancher ein Auge drauf geworfen. Aber die hat wohl einen Narren an dir gefressen, was?«
»Blödsinn«, sagte Paul beinahe ärgerlich, »sie hält nur ihr eigenes Haus sauber, mehr nicht.«
»An deiner Stelle war ich vorsichtig, verbrenn dir da bloß nicht die Finger!«
»Wie kommst du denn auf so was?«
»Na ja«, er schenkte sich noch einmal großzügig Rum in die Tasse, »weißt schon – ihr Mann, der Kommissar – irgendein hohes Tier bei den Genossen! Der reißt dir den Kopf ab, wenn er irgendwas spitzkriegt.«
»So ein Quatsch. Zwischen uns ist nichts! Sie ist dankbar, dass ich mich um ihren Sohn Kolja kümmere. Heute hab ich ihn in letzter Minute aus dem See gezogen. Aber was geht dich das überhaupt an?«
»Ach, ich meine ja nur. Das ganze Dorf tuschelt schon darüber, dass sie ständig bei dir im Haus ist.«
»Als wenn wir nicht genug andere Sorgen hätten, als den neuesten Dorfklatsch.« Paul schüttelte unwillig den Kopf. »Wenn du mich fragst, dann wäre es wichtiger, ganz andere Überlegungen anzustellen. Wir leisten hier sinnlose Abwehr und sollten lieber machen, dass wir schleunigst weiterkommen. Unsere Fahrzeuge sind nichts als Schrott, Sprit fehlt, die Munition geht zur Neige, und zum Essen haben wir auch nicht mehr genug. Die Nachschublieferungen kommen einfach nicht durch. Ich habe gestern noch mal die Batterien und miserablen Ersatzteile überprüft, die wir in diese total heruntergekommenen Eierkisten von Autos einzubauen versuchen.« Er stellte klirrend seine Tasse zurück. »Aber es ist und bleibt Flickwerk! Bei der ersten Fahrt scheitern diese Sparvehikel auf dem verholzten Gelände. Sie werden uns einfach von der Straße rutschen, wenn sich in Kürze wieder alles in Matsch verwandelt. Das können wir uns doch an fünf Fingern abzählen, dass wir mit solch kaputtem Material keine hundert Kilometer weit kommen!« Er sprang wütend auf und lief unruhig im Zimmer hin und her.
»Du hast recht – aber ich glaube, Kommandant von Seidel sieht das anders!«, sagte Schmidt mutlos. »Er beruft sich auf die Befehle vom Führerhauptquartier, denen er Folge zu leisten hat – und das tut er mit sturer Konsequenz und ohne darüber nachzudenken: Stellung halten um jeden Preis! Kannst du schweigen?«
Paul nickte.
Mit einem Stoßseufzer goss er sich den Rest aus der Rumflasche ein und kippte ihn pur hinunter. »Weißt du, was mir der Funker erzählt hat?«
Paul schüttelte den Kopf.
»Als der Flugverkehr eine Zeit lang lahmgelegt war und er nachgefragt hat, wurde er mit lapidaren Floskeln vertröstet.Auch bei den Nachschublieferungen sollte es sich angeblich nur um unbedeutende Verzögerungen handeln. Natürlich hat er sich damit nicht abspeisen lassen. Durch Abhören verschiedener Funksprüche konnte er erfahren, dass die sowjetische Armee mit Verstärkung frischer Divisionen, nagelneuen Waffen und Panzern an Don und Tschir jeglichen Widerstand unserer Truppen erstickt und an der Südfront immer weiter vorrückt. Er darf bloß nicht darüber sprechen.«
»Genau das habe ich erwartet«, sagte Paul. »Verdammt, man möchte am liebsten auf den Tisch hauen, wenn man so was hört.«
Schmidt starrte mit leicht glasigen Augen vor sich hin. »Sieht so aus, als müssten wir hier aushalten, bis einer nach dem anderen von uns abgeknallt wird. Die Russen haben uns in Wahrheit
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